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Kriegsgebiete

Kriegsgebiete

Titel: Kriegsgebiete
Autoren: Roland Spranger
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sie mit mir eine
Radtour zum Kornberg machen will. Da gibt es einen riesigen
Felsblock, den Wackelstein, den man mit einem großen Ast zum
Wackeln bringen kann. Wir haben da mal einen Ausflug hin gemacht, als
Lea gerade eingeschult worden war. Die ganze Familie. Wir haben viel
gelacht und ich habe Lea das Hebelgesetz erklärt.«
    »Klingt
gut. Fragen Sie Ihre Tochter doch einfach!«
    »Ich
müsste ihre Mutter um Erlaubnis bitten.«
    »Wie
würden Sie das Verhältnis zu Ihrer Ex-Frau beschreiben?«
    »Krieg.«
    »Ich
dachte, Krieg wollten Sie nicht mehr führen.«
    »Er
geht ja nicht von mir aus.«
    »Sieht
Ihre Frau das genauso?«
    »Vielleicht
ist es auch kein richtiger Krieg. Mit Frontalangriffen und Action.
Ist eher so ein Stellungskrieg, bei dem man sich aus den
Schützengräben heraus belauert. Kann sein, es ist bloß
ein kalter Krieg, aber das sieht Melanie auf keinen Fall genauso.«
    »Gut,
dass Sie ihren Namen gesagt haben.«
    »Das
war keine Absicht. Eigentlich würde ich das lieber rückgängig
machen. Den Namen und so.«
    »Was
würden Sie sich für Ihre Beziehung wünschen?«
    »Wir
haben keine Beziehung mehr.«
    »Soll
das so bleiben? Fühlt sich das gut für Sie an?«
    »Ich
weiß nicht. Wir haben eine gemeinsame Tochter. Lea ist uns
beiden wichtig. Family is important shit.«
    »Das
hört sich stimmig an. Eine Beziehung endet ja nicht, weil sie
für beendet erklärt wurde. Was wünschen Sie sich?«
    »Waffenstillstand.
Das wäre okay.«
    »Und
wenn es etwas mehr als okay sein dürfte?«
    »Frieden.«
    Kaum
hatte Daniel das F-Wort gesagt, war es ihm schon peinlich. Als sei er
gerade dabei gewesen, ein Veteranenklischee zu erfüllen oder nur
etwas zu sagen, das sein Therapeut gerne hören wollte.
    »Frieden
fühlt sich für Sie gut an?«
    »Ja,
Frieden fühlt sich gut an.«
    »Gibt
es sonst noch etwas, das Sie gerne ansprechen würden?«,
fragte Hamann.
    »Seit
Neuestem verschwinden Dinge einfach. Am Vorabend waren sie noch da,
am nächsten Morgen sind sie weg.«
    »Zum
Beispiel?«
    »Ein
Apfelbaum. Mein Kampfmesser.«
    »Erzählen
Sie von dem Apfelbaum. Ein ganzer Baum verschwindet nicht einfach.«
    »Es
war noch ein ganz junger Baum. Ich habe ihn vor einigen Wochen
gepflanzt.«
    »Warum?«
    »Damit
der Garten lebendiger ausschaut. Eines Morgens war er einfach weg.
Später habe ich ihn wiedergefunden. In der Bio-Mülltonne.
Total zerstört. Alle Äste abgebrochen.«
    »Haben
Sie das Messer auch wiedergefunden?«
    »Nein.«
    »Machen
Sie sich deshalb Sorgen?«
    »Es
ist eine Waffe. Nicht frei verkäuflich. Zumindest braucht man
einen Altersnachweis.«
    »Haben
Sie eine Erklärung dafür?«
    Daniel
zuckte mit den Schultern. Doktor Hamann wartete und schaute ihn an.
    »Sie
wissen ja, dass Sie hier alles ansprechen können.«
    »Ich
habe mich gefragt, ob ich schlafwandle. Nachts Sachen mache, an die
ich mich am nächsten Tag nicht erinnern kann. Glauben Sie, dass
ich ein Schlafwandler bin?«
    »Beobachten
Sie, ob weitere Gegenstände verschwinden. Wir werden das nächste
Mal wieder darüber sprechen.«
    Als
Doktor Hamann Daniel zur Tür brachte, wartete bereits der
nächste Patient im Wartezimmer. Ein kleiner nervöser Mann
mit Halbglatze. Vielleicht depressiv. Oder manisch. Daniel wusste
nicht, ob der Mann sich das große oder das kleine Bild im
Wartezimmer angesehen hatte. Sollte er bipolar sein, hatte er Glück.
Dann konnte er sich beide Bilder anschauen.

    ***

    Daniel
bewahrte seine Kleidung im Haus auf und nicht im Garten. Psychisch
krank, aber nicht bescheuert, dachte er. Ständig in feuchten
Klamotten rumlaufen, wer will das denn? Außerdem kriegen die
Kleidungsstücke erst einen modrigen Geruch und irgendwann fangen
sie an zu schimmeln. Modrigen Geruch und Schimmel konnte er nicht
gebrauchen. Seine positive Einstellung zu Hygiene war ungebrochen.
Deshalb ging er auch einmal am Tag ins Haus zum Duschen. In einem Bad
mit buntem Fliesenmosaik. Sommerfarben. Das Bad war immer noch gut.
Das Schlafzimmer war schlecht. Nachdem Melanie ausgezogen war, hatte
Daniel das Bett zerhackt. Jetzt lagen die Holztrümmer und die
aufgeschlitzten Matratzen wie die Überreste seiner Ehe herum und
erinnerten ihn erst recht an ein Leben, das er früher einmal so
selbstverständlich geführt hatte. Als könne eine
Beziehung nicht gegen die Wand fahren. Aus einem offenen Fenster
fallen. Verloren gehen. Daniel holte so schnell er konnte seine
Laufbekleidung aus dem Schrank. Hose und Shirt aus atmungsaktivem
Material.
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