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Kriegerin der Nacht

Kriegerin der Nacht

Titel: Kriegerin der Nacht
Autoren: Lisa J. Smith
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Mondlicht, das ihr in den Augen schmerzte, sah sie alles.
    Ein Auto, ein schwarzer Jeep, parkte unter einem Baum. Der Motor lief, aber der Wagen war leer. Und vor dem Wagen sah es aus - wie auf einem Schlachtfeld.
    Überall lagen Körper. Mehrere schwarze Vampirkörper - dunkle Ninjas. Aber auch Nissa, Winnie und Galen lagen dort. Reglos.
    Sie sind ihm also gefolgt, stellte ein ferner Teil von Kellys Geist fest, was den anderen Teil nicht im Mindesten daran hinderte, sich für den Kampf bereit zu machen. Sie waren dem Drachen gefolgt - der irgendetwas mit Winnie gemacht haben musste, um Iliana von ihr wegzubekommen. Das war der Grund, warum ich niemanden wittern konnte; sie sind alle durch den Tunnel gegangen, während ich mit Brett oben war.
    Sie konnte nicht erkennen, ob sie tot waren. Winnie hatte Blut am Kopf und Nissa hatte Blut an den Armen und am Rücken. Blut und Klauenabdrücke.
    Und Galen ... Er lag der Länge nach mit gespreizten Gliedern am Boden und sie konnte keine Atmung ausmachen. Er war nicht einmal ein Kämpfer. Er hatte niemals eine Chance gehabt.
    Und dann sah Kelly etwas, das ihr alle anderen Gedanken aus dem Kopf vertrieb.
    Den Drachen.
    Er stand neben dem Jeep, erstarrt, als sei er gerade erst herumgefahren, um sich ihr zu stellen. Lässig, beinahe wie unter den Arm geklemmt, hielt er eine schlaffe Gestalt in einem silbrig weißen Kleid.
    Und er sah immer noch aus wie Jaimie Ashton-Hughes.
    Er trug Jaimies hübsches blaues Kleid. Das weiche braune Haar wehte ihm sachte ums Gesicht und Kelly konnte den Blick seiner dunkelblauen Augen spüren.
    Aber es gab doch auch Unterschiede. Seine Haut war totenblass und etwas Gelbliches sickerte ihm aus einer Schnittwunde am Wangenknochen. Er hatte die Zähne zu einem grinsenden Knurren gebleckt, das Jaimie niemals zustande gebracht hätte. Und als der Wind ihm das weiche Haar aus der Stirn blies, konnte Kelly seine Hörner sehen.
    Da waren sie. Stummelig und weich - zumindest sahen sie auf der Außenseite weich aus, wie zarte Haut
    über Knochen. Sie waren so offensichtlich real und doch so grotesk, dass sich Kelly der Magen umdrehte.
    Und es waren fünf.
    Fünf.
    In dem Fragment war die Rede von ein bis drei Hörnern, dachte Kelly entsetzt. Und in seltenen Fällen vier. Aber dieses Ding hat fünf! Fünf Hörner, hinter denen gestaltwandlerische Macht sitzt, ganz zu schweigen von der schwarzen Energie, der Gedankenkontrolle und was er sonst noch für mich in petto hat.
    Ich bin tot.
    Nun, das hatte sie natürlich von Anfang an gewusst. Schon vor sechs Tagen, als sie den Drachen in der Shopping Mall zum ersten Mal angesprungen hatte. Aber jetzt war die Erkenntnis umso bitterer, weil nicht nur sie sterben würde - sondern auch alle Hoffnung.
    Ich kann dieses Ding nicht töten. Es wird mich genauso mühelos abschlachten wie die anderen. Und sich dann Iliana nehmen.
    Aber es spielte keine Rolle. Sie musste es versuchen.
    »Leg das Mädchen auf den Boden«, verlangte sie und behielt ihre Halb-und-Halb-Gestalt bei. Vielleicht konnte sie ihn erschrecken, indem sie sich mitten im Sprung plötzlich verwandelte.
    »Das denke ich nicht«, antwortete der Drache aus Jaimies Mund. Er bekam Jaimies Stimme perfekt hin. Aber dann öffnete er den Mund und ein tiefes Bassgelächter erdröhnte, so tief und erschreckend, dass Kelly ein einziger Schauder über den Rücken kroch.
    »Komm schon«, sagte Kelly. »Keiner von uns will, dass sie verletzt wird.«
    Während sie sprach, bewegte sie sich langsam und versuchte, hinter ihn zu gelangen. Aber er drehte sich mit ihr und hielt den Rücken dem Jeep zugewandt.
    »Du vielleicht nicht«, entgegnete der Drache. »Aber mir ist es egal. Sie ist bereits verletzt; ich weiß ohnehin nicht, ob sie es schaffen wird.« Sein Grinsen wurde breiter.
    »Leg sie auf den Boden«, wiederholte Kelly. Sie wusste, dass er es nicht tun würde. Aber sie wollte weiterreden, wollte ihn ablenken.
    Sie wusste auch, dass er ihr nicht erlauben würde, hinter ihn zu gelangen. Panther greifen natürlicherweise von hinten an. Aber das würde er ihr nicht gestatten.
    Kellys Blick wanderte zu der riesigen uralten Kiefer, unter der der Jeep stand - ohne dass sich ihre Augen bewegt und dem Drachen damit einen Hinweis geliefert hätten. Sie dehnte ihr Bewusstsein aus, um den Baum in sich aufzunehmen.
    Es war ihre Chance.
    »Wir haben uns noch nicht einmal richtig miteinander bekannt gemacht...«, begann sie.
    Und dann, mitten im Satz, sprang sie.

 
K APITEL S
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