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Kreuzzug

Kreuzzug

Titel: Kreuzzug
Autoren: Marc Ritter
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Skispuren. Die musste die widerspenstige Tourengeherin hinterlassen haben, das war ihnen sofort klar. Vielleicht hätten sie sie doch zum Schweigen bringen sollen. Aber immerhin hatte sie das Versteck der Abdullahs, wie sie die südamerikanischen vermeintlichen Islamisten immer noch nannten, gefunden. Musste eben die Firma dafür sorgen, dass die Frau in der Öffentlichkeit den Mund hielt.
    Die Kollegen in Sandra Thalers Wohnung taten genau das. Sie legten ihr Listen mit Verwandten und Freunden vor und drohten im Falle des Falles mit deren Ableben. Diese Methode war immer recht erfolgreich. Besonders, wenn hinter jedem Namen bereits die voraussichtliche Todesart vermerkt war, mit Begriffen, die zum jeweiligen Beruf oder Hobby des Betreffenden passten, wie etwa »Häckselmaschine«, »Bandsäge«, »Gleitschirmunfall«, »Glatteis« oder »Motorrad«.
    Die beiden Agenten bei der Reintalhöhle ließen die Ski neben deren Eingang liegen und machten sich auf den Weg, die sonderbarste Mission, die sie beide jemals in ihrer Geheimdienstkarriere auszuführen hatten, abzuschließen. Endgültig.
    Sie hatten es leichter als Sandra Thaler vor ihnen. Denn die junge Frau hatte genug Spuren hinterlassen, denen sie im Schein ihrer hellen LED -Lampen nur folgen mussten. Kaum eine halbe Stunde nachdem sie die Höhle im Reintal betreten hatten, standen sie an der Stelle, von der aus man über das erhöht liegende Loch in der Wand in den großen Saal blicken konnte. Sie taten das, ohne ein Risiko einzugehen, indem sie eine lichtstarke Minikamera, die über ein langes Kabel mit einem kleinen Monitor verbunden war, in dem Durchbruch plazierten. Dann sahen sie die unglaubliche Szenerie, die sich schon auf Sandra Thalers Fotos bei McFarland oben im Kammhotel gesehen hatten.
    Eine Weile beobachteten sie das Geschehen im benachbarten Felsendom. Die Abdullahs machten ganz und gar nicht den Eindruck, als machten sie sich zur Flucht bereit. Vielmehr hatten sie es sich in der Grotte gemütlich gemacht. Sie streckten sich auf den Betten aus. Wie im Schlafsaal einer Jugendherberge sah es dort aus. Nur ein eher amerikanisch aussehender älterer Mann saß auf einem Campingstuhl in der Mitte des Raums und las in einem Buch.
    Die beiden Agenten sahen einander an, dann wurde ihnen schlagartig klar:
Das
war der Fluchtplan der Abdullahs!
    Zugegeben, er war genial. Sie würden gar nicht abhauen. Sie würden in der Höhle überwintern. Oder zumindest so lange dort bleiben, bis sie unauffällig über das Reintal oder irgendeinen anderen unbekannten Ausgang verschwinden konnten. Ein paar Wochen würden sie es schon aushalten in ihrem Versteck. Für fünfhundert Millionen, geteilt durch zehn, würde jeder ein paar Wochen ohne Sonnenschein auskommen.
    Sie hatten nur leider die Rechnung ohne die ehrgeizige Sandra Thaler gemacht. Nun waren die beiden Agenten sehr froh, sie aus der Lawine gegraben und laufen gelassen zu haben. Vielleicht würde ihnen das später zu einem Orden verhelfen.
    Plötzlich wurde die Feierabendruhe im Raum nebenan durch lautes Wehgeschrei gestört. Auf dem Monitor sahen die beiden Agenten eine schwarzhaarige Frau durch den Camouflage-Vorhang schlüpfen. Sie schrie immer wieder »Pedro ha muerto!«, »José ha muerto!« und »Mis hermanos están muertos!« und ging mit Fäusten auf den amerikanisch aussehenden älteren Mann los, der in der Mitte des Raumes gesessen hatte. Dem gelang es, die junge Frau kurzfristig zu besänftigen. Dann zeigte er ihr eine Kreditkarte.
    Das brachte die Frau komplett außer Rand und Band. Sie griff nach einer Pfanne und wollte sie ihm über den Kopf ziehen. Als sie ausholte, bewegte sich in einem Stockbett hinter ihr einer der Schlafenden. Die Person drehte sich um, zog die Decke vom Kopf und richtete den Oberkörper auf. Es war eine ältere amerikanisch aussehende Frau mit kurzem Haar. Sie hielt eine Pistole in der Hand. Ohne zu zögern, schoss sie der kleinen Frau mit dem schwarzen Haar in den Rücken.
    Der Schuss knallte ohrenbetäubend und hallte in dem Felsendom von Wand zu Wand. Das Echo setzte sich im verzweigten Höhlensystem fort und drang von dort wieder zurück.
    Auf dem Monitor sahen die beiden Agenten ein seltsames Bild. Die junge Frau war vornübergefallen und lag ausgestreckt neben dem Mann, der zuvor im Campingstuhl gesessen hatte. So weit in Ordnung. Doch die Männer in den Stockbetten rührten sich nicht. Kein einziger bewegte sich auch nur einen einzigen Millimeter.
    »Sie sind alle tot«,
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