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Kreuzzug

Kreuzzug

Titel: Kreuzzug
Autoren: Marc Ritter
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flüsterte die Agentin ihrem Partner zu.
    »Dann los. Die zwei erledigen wir schnell.«
    Der Kampf war äußerst ungleich. Er wäre es selbst dann gewesen, wenn sich die Kombattanten Auge in Auge gegenübergestanden hätten. Die Hargraves waren doppelt so alt wie die beiden Angreifer. An Kaltblütigkeit und Skrupellosigkeit standen sich beide Paare in nichts nach, aber Kraft, Reaktionsschnelligkeit und – in erster Linie – der Überraschungsmoment hätten auf Seiten der Jüngeren gestanden.
    Doch zu einer direkten Auseinandersetzung kam es gar nicht. Craig und Barbara Hargraves – oder wie auch immer sie wirklich heißen mochten – hörten durch ihre vom Schuss noch betäubten Trommelfelle nicht einmal das leise Zischen der Blausäurepatrone, die der Mann durch das Loch im Fels warf. Auf dem Bildschirm sah seine Kollegin währenddessen zu, wie sich die beiden Sekunden später in Krämpfen am Boden wanden. Dann hyperventilierten sie, bis der Atemstillstand eintrat.
    Ihre Herzen hörten zwei Minuten nach dem Kontakt ihrer Atemwege mit dem Zyanid fast zeitgleich auf zu schlagen.

Kapitel hundertneunundvierzig
    Garmisch-Partenkirchen , Wirtshaus »Mohrenplatz«, 11 . März, 19  Uhr 34
    S chön, dass es endlich klappt, Sandra.«
    »Hab dich ja lang genug warten lassen.«
    »Passt scho«, sagte Thien. »Ich hab eh viel zu tun gehabt.«
    »Bist recht rumgereicht worden mit der Zugspitzgschicht?«
    »Allerdings. Die haben mich alle hundertmal das Gleiche gefragt. Zuerst die Polizei. In München. In Wiesbaden. In Berlin. Was ich für Behörden und Ministerien von innen kennengelernt hab … Und dann die Talkshows. Ein Getue. Wer ja wirklich gut gefragt hat, war der Körner. Bei dem meinst echt, der interessiert sich für einen und für die Gschicht. War gut vorbereitet, als wär er dabei gewesen. Nicht schlecht, der Mann.«
    »Hast die Geschichte auch gut verkaufen können? An Illustrierte und BILD-Zeitung und so? Die zahlen doch ganz gut, was man so hört.«
    »Ja mei, ohne Bilder … Wenn ich da welche hätte, aus dem Tunnel, dann wär ich ein reicher Mann. Dann sitz ich jetzt in der Südsee und ließ mir den Rücken massieren, des kannst glauben. Nur für Interviews zahlen die halt nicht so wahnsinnig. Aber einen Buchvertrag hab ich. Für eine neue Fotoausrüstung hat’s schon gereicht. Mein Fotorucksack ist ja nie wieder aufgetaucht. Musst dir mal vorstellen, die transportieren alle Leute aus dem Zug ab und sperren die eine Woche in Mittenwald in der Kaserne ein, um sie zu filzen und erkennungsdienstlich zu behandeln. Und am Schluss fehlt dem Baumgartner Thien sein Fotorucksack. Unglaublich, oder?«
    »Unglaublich«, bestätigte Sandra Thaler.
    »Und du? Hast alles am Fernseher verfolgt?«
    »Ach, red ma nicht drüber, Thien. Erinnert mich nur an den Markus.«
    »Ja, freilich. Tut mir leid. Immer noch nix?«
    »Null. Die forschen seit Wochen mit allen möglichen Methoden. Aber die Höhlen sind voll Wasser. Keine Chance, einen zu finden. Die sagen mir ja nicht mal, wie viele da drin verschollen sind. Nur, dass welche rein sind und der Markus dabei war.«
    »Tut mir echt leid, Sandra.«
    »Ja. Des wird noch dauern, bis ich das wirklich gepackt hab. Ist halt auch schwierig, weil’s zwischen uns schon auch ganz schön geknirscht hat wegen seinen ewigen Geheimnissen, und nie durfte er was sagen wegen Afghanistan, was er da eigentlich macht …« Sandra Thaler fielen die Bierfilze aus der Hand, mit denen sie gespielt hatte.
    Thien tauchte unter den Tisch und hob die Unterleger wieder auf. »Da, dein Spielzeug. Wo warn ma?«
    »Schwierig. Geheimnisse. Afghanistan.«
    »Glaub ich. Ich hab ja alles erzählen dürfen. Und zwar in hundertfacher Ausführung. Ich weiß schon selber gar nicht mehr, was wahr ist und was nicht.«
    Ein junger Bursche stand plötzlich mit einem Wirtshausblock und einem Sparkassenkuli neben ihrem Tisch. »Sorry, du bist doch der Zugspitzheld. Tatatst ma a Autogramm da drauf? Also, nur wenn I ned stör.«
    »Passt scho.« Thien malte seinen Kringel auf das Papier.
    Als der junge Mann wieder abgezogen war, sinnierte Thien weiter. »Zugspitzheld. O mei. Ein Held wär ich, wenn ich die noch im Tunnel umgenietet hätt. Aber so? Notwehr war’s, ganz einfach, Sandra, Notwehr. Nicht mehr.«
    »Aber auch nicht weniger.«
    »Na ja, der Heldenstatus. Hilft ja schon. Den Tarif für meine Fotos zieht’s schon a bisserl nach oben. Zumindest bei den großen Magazinen.
American Mountaineer,
GEO
und so.
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