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Kreuzzug

Kreuzzug

Titel: Kreuzzug
Autoren: Marc Ritter
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wollte. Nicht dass er es nicht geglaubt hätte, aber er wollte für seine spätere Reportage detailliert wissen, wie eine Holzhütte aussah, nachdem zehn GSG 9 -Polizisten sie gestürmt hatten. Er rutschte den Abhang hinab und schlitterte über das Eis. Auf der Insel angekommen, sah er, dass die Männer ganze Arbeit geleistet hatten. Sie hatten nicht die Eingangstür der Hütte benutzt, sondern kurzerhand die Rückwand weggesprengt. Wie ein offenes Puppenhaus standen die übrig gebliebenen Außenwände da. Im Inneren des Blockhauses lagen ein Tisch und ein paar Stühle umgekippt am Boden.
    Ja, die Hütte war leer. Dabei war Thien so sicher gewesen. Als Versteck wäre dieser Platz ideal. Die Hütte konnte man nur vom Südufer des Sees aus sehen, und auch nur dann, wenn man dem Rundweg eine gute Weile folgte. Wer einen Anschlag auf die Zugspitze plante, konnte davon ausgehen, dass der See bei einem solchen Terrorangriff weiträumig abgesperrt und so der Blick auf die Hütte von den Behörden verhindert würde. Und einen Fluchtweg gab es auch: In der Nähe der Stelle, von der aus der Sturm der Eliteeinheit begonnen hatte, führte ein Wanderweg hinunter zur Bundesstraße.
    Thien berichtete dem Kommandanten des Einsatztrupps von diesen Überlegungen. Dieser meinte: »Dann ist der Mann vielleicht hier gewesen und über ebendiesen Fluchtweg abgehauen. Zeigen Sie uns bitte, wo er beginnt.«
    Thien und die Männer gingen über das Eis zurück und erklommen das Steilufer. Fünfzig Meter den Rundweg weiter nach Westen war die Abzweigung. »Sie begeben sich bitte wieder ins Hotel. Wir gehen dem Weg nach«, befahl der Truppenführer.
    Thien nickte. Lautlos verschwand der Trupp im Wald, Thien ging den Weg zurück. Irgendetwas passte an der Sache nicht. Er machte kehrt und rutschte noch einmal die verschneite Böschung zum See hinunter. Nachdem er über das schneebedeckte Eis gegangen und auf der Insel angekommen war, hörte er ein Knacken im Unterholz. Er hielt den Atem an. Er war sicher, dass er nicht allein auf diesem winzigen Eiland war.
    Da riss ihn eine in der Ferne donnernde Detonation aus seiner Konzentration. Die Schallwellen wurden von den Hügeln rund um den See zurückgeworfen. Thien blickte nach links in Richtung Hotel. Das stand noch. Dann sah er nach oben zum Zugspitzgipfel, wo sich ein heller Punkt in Richtung Tal bewegte. Der Punkt wurde dunkel. Drei Sekunden später hörte er das Krachen einer am Fuß einer eintausend Meter hohen Felswand aufschlagenden Gipfelstation. Thien hatte so ein Geräusch noch nie gehört, aber er wusste, dass es nur diese eine Ursache dafür geben konnte.
    Dann ging alles blitzschnell. Ehe sich Thien weitere Gedanken über den Absturz des Stahlgebäudes machen konnte, riss ihn der Körper eines Mannes um, der ihn von der Seite ansprang. Thien fiel hin, konnte sich aber während des kurzen Fluges gewandt wie eine Katze aus der Umklammerung des Mannes lösen. Im Schnee aufkommend, versuchte sich Thien so schnell wie möglich aufzuraffen. Der Angreifer kam gleichzeitig mit ihm hoch. Thien sah ein Messer im schwachen Lichtschein, das die Fensterfront des Hotels und die Lichtmasten der Einsatzkräfte vorne auf dem Parkplatz über den See warfen. Er musste etwas zur Verteidigung zwischen die Finger bekommen. Einen Prügel.
    Der Angreifer mit der schwarzen Skimaske über Kopf und Gesicht kam in geduckter Haltung auf ihn zu. Thien wich langsam zurück und versuchte, das Messer zu fixieren und gleichzeitig am Rand seines Blickfeldes den Boden nach einem geeigneten Stock abzusuchen. Das war unter dem Meter Schnee unmöglich. Thien entschied sich für eine vorläufige Flucht in die Hütte. Dort gab es harte Gegenstände.
    Er täuschte einen Seitwärtsschritt nach links an und rannte im nächsten Augenblick nach rechts zum Blockhaus. Er hoffte, dass er die fünf, sechs Meter schaffte, ohne dass er über irgendeinen im Schnee verborgenen Gegenstand stolperte. Denn dann würde er auf dem Bauch im tiefen Schnee zu liegen kommen und hätte im nächsten Moment den Mann auf und dessen Messer in seinem Rücken.
    Thien schaffte es, ohne zu straucheln, durch das Schneefeld. Der Mann hetzte ihm nach. Thien machte einen großen Sprung in die offene Hütte. Während sein rechter Fuß auf dem Hüttenboden aufsetzte, griff er nach einem der am Boden liegenden Holzstühle, bekam das Stuhlbein zu packen, wirbelte in derselben Bewegung nach links um die eigene Achse und schwang den Stuhl wie einen Baseballschläger.
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