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Kreuzzug

Kreuzzug

Titel: Kreuzzug
Autoren: Marc Ritter
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Es knirschte furchtbar, als die Kante der massiven Sitzfläche den Unterkiefer des Verfolgers traf. Die kinetische Energie, mit der die durch die Schleuderbewegung potenzierten zwanzig Kilo des Bauernmöbels auf den in entgegengesetzter Bewegung befindlichen Schädel trafen, zeigte verheerende Wirkung. Der Unterkiefer barst. Der Mann stöhnte auf. Die Rückenlehne, deren mittlere Strebe mit einer Breitseite gegen seine Schläfe krachte, gab ihm den Rest. Er wurde im Sprung aus der Luft nach links gerissen, noch bevor er wirklich in der Hütte war. Wie ein nasser Sack fiel er nach unten und schlug mit dem ohnehin zerschmetterten Kinn auf den Rand der Bodendielen auf, während sein Körper im Schnee landete. Der Höhenunterschied zwischen Hütten- und Inselboden bewirkte, dass der Kopf weit in den Nacken überstreckt wurde. Zu weit für die Halswirbel. Thien hörte ein fieses Knacken, als das Genick brach.
    Er brauchte nicht nach dem Puls des Mannes zu tasten. Thien wusste, dass der Kerl tot war.
    »Arschloch!«, rief Thien ihm in die tiefste Hölle hinterher und gab ihm zwecks Nachhaltigkeit noch einen Tritt mit dem Kampfstiefel mit auf die Reise.

Kapitel hundertvierundvierzig
    Elmau , 17  Uhr 11
    D as Taxi fuhr endlich über die Mautstraße heran. Der Fahrer ließ sich jede Menge Zeit, während er das Fahrzeug zwischen den hohen Schneewällen hindurchmanövrierte, die der Pflug in den letzten Wochen rechts und links der Fahrbahn angehäuft hatte.
    Sandra Thaler winkte mit beiden Armen und brachte den Wagen zum Halten. Der alte Mittenwalder Taxler hätte hinter zwei Kaltblütern und auf dem Bock des Landauers, auf dem sein Vater noch die Sommerfrischler herumkutschiert hatte, besser gepasst als in dem nagelneuen Mercedes E-Klasse Kombi. Er wollte aussteigen, um seinem Fahrgast die Ski und den Rucksack abzunehmen, doch ehe er sich aus dem Schaffellbezug des Fahrersitzes geschält hatte, riss Sandra Thaler bereits die Heckklappe auf und warf Ski und Stöcke auf die Ladefläche, und nur einen Augenblick später saß sie mit beidarmig umklammertem Rucksack im Fond des Wagens.
    »Bitte, schnell umdrehen und nach Mittenwald!«, versuchte sie, den Mann zur Eile anzutreiben. »Es pressiert wirklich brutal!«
    Bei einem Muli der Gebirgsjäger wären ihre verzweifelten Worte auf fruchtbareren Boden gefallen als bei dem Grünhut im rechtsgestrickten Janker. Der dachte nicht im Traum daran, die Unversehrtheit der erst Anfang Dezember in Dienst gestellten Karosse zu gefährden, nur weil so eine narrische Skitourengeherin nach Hause in die Badewanne wollte. Einzig der Umstand, dass sie den einheimischen Dialekt sprach, bewegte ihn dazu, den Daimler wenigstens an die Einhundert-Stundenkilometer-Grenze zu peitschen, nachdem er in Klais die enge Privatstraße verlassen und sich auf die Bundesstraße eingefädelt hatte.
    Zehn Minuten später hielt er den Wagen vor dem Haus, in dem Sandra Thalers Wohnung lag. Sie kramte einen Zwanziger aus der Skihose, warf ihn auf den Beifahrersitz und rannte zur Haustür.
    »Hoit! Du kriagscht no wos zruck, Deandl!«, rief der Mann ihr nach. »Un deine Schi!«
    Doch sie rief nur: »Passt scho!« und verschwand im Haus.
    Dem Fahrer blieb nichts anderes übrig, als auszusteigen, um die Bretter und Stecken von der Ladefläche zu nehmen und am Gartenzaun abzustellen. »Narrische Henna!«, schimpfte er. »Rennt an Barg auffi, aber muass ums Varrecka dahoam bieseln.«
    Er wunderte sich ein wenig, was für ein riesiger schwarzer Ami-Jeep mit verdunkelten Scheiben da in der Einfahrt des Hauses stand. Der Chevrolet Tahoe hatte ein Frankfurter Nummernschild, was seine Anwesenheit erklärte.
    »De Tourischtn ham aa immer greassane Audos. Irgendwann kummans mim Panza«, schimpfte der Taxler weiter, während er sein geschundenes Kreuz wieder auf das lindernde Lammfell bettete. Er zog die Fahrertür zu und rollte gemütlich dem Feierabend entgegen.

Kapitel hundertsechsundvierzig
    Reintalhöhle, 17  Uhr 45
    D ie beiden US -Agenten verließen McFarland und fuhren, so schnell sie konnten, vom Gipfelgrat über das Platt nach unten. Kein Mensch sah sie in der Dunkelheit der frühen Winternacht. Das Treiben auf und über der Zugspitze lenkte jede Aufmerksamkeit von den beiden Skifahrern in den Schneetarnanzügen ab.
    Nach rasanter Fahrt ins Weiße Tal und an der Knorrhütte vorbei erreichten sie zwanzig Minuten später den Punkt, oberhalb dessen sich der Einstieg in die Reintalhöhle befinden musste. Sie entdeckten
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