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Kreuzzug

Kreuzzug

Titel: Kreuzzug
Autoren: Marc Ritter
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Gebirge. Ja, diese Vorstellung gefiel ihr wesentlich besser.
    Sie musste sich zusammenreißen. Nein, sie wollte nicht eins mit dem Berg werden. Sie wollte überleben. Sie wollte das Honorar für die Bilder. Sie wollte ein gutes Leben führen mit dem Geld. Sie wollte Kinder. Sie wollte … Thien, wenn sie es sich recht überlegte.
    Bei diesem Gedanken musste sie sich auf einen Felsvorsprung setzen. Meinte sie das ernst? Sie konnte es nicht fassen. Sie schaute nach oben, als würde der liebe Gott, von dem sie nicht wusste, ob sie an ihn glauben sollte, ihr von dort den entscheidenden Hinweis geben.
    Und das tat er. Über ihr strahlte der Abendstern, die Venus. Sandra Thaler blickte durch eine Spalte von einem halben Meter Breite in die anbrechende Nacht.

Kapitel hunderteinundvierzig
    Eibsee , 16  Uhr 50
    W enn die Männer im Dunkeln mit starken Lampen weitersuchen, kann er sie womöglich sehen«, sagte Hans-Dieter Schnur. Obwohl zwei Gebirgsjägerzüge , also knapp zweihundert Mann, seit mehreren Stunden den Wald nach Kabeln durchkämmten und der aus dem Tunnel führende Strang zusätzlich von einem Team freigelegt wurde, das sich den Hang zum See hinunterkämpfte, war das fehlende Mitglied des Terrortrupps noch nicht gefunden worden. Mittlerweile brach die Nacht an. Der Mann – wenn er noch in seinem Versteck saß – konnte natürlich jederzeit einen weiteren Sprengsatz hochgehen lassen. Daher war Schnurs Mahnung berechtigt.
    »Wir sind jetzt gleich unten am See hinter dem Bootsverleih angelangt«, meldete der Führer des zusätzlichen Teams, bestehend aus zehn Männern. »Hier führt das Kabel westwärts den See entlang.«
    »Er wird wissen, wo er hinzusehen hat, also keine Lampen mehr!«, mahnte Hans-Dieter Schnur. »Sucht, solange Ihr irgendwie könnt! Ich hoffe, der Schnee gibt euch genug Licht.«
    Nach einer halben Stunde meldete der Trupp: »Hier ist eine Stelle, wo ein Bach unter dem Weg und durch ein Rohr in den See geleitet wird, und der Kabelstrang verschwindet in dem Rohr.«
    »Geht nicht bis zum Seeufer, da kann er euch sehen«, funkte Schnur. Und zum Krisenstab sagte er: »O Mann, wenn sie sich den Spaß erlaubt haben, das Kabel quer durch den See zu legen, dann wissen wir jetzt so viel wie vorher. Es kann irgendwo rauskommen, hundert Meter weiter vorn, hundert Meter weiter hinten oder auf der anderen Seeseite.«
    »Oder auf der Insel«, mischte sich Thien ein.
    »Auf der was?«
    »Auf der Insel. Es gibt weiter hinten diese Inseln. Und auf einer gibt es eine Hütte. Die kenn ich gut, die kann man für Hochzeiten mieten. Im Sommer, halt. Mein Sportarzt hat dort geheiratet. Sehr nette Party.«
    »Kann man von dieser Insel aus die Bergbahnen und den Zugspitzgipfel sehen?«
    »Klar. Die liegt wirklich ideal, wenn man das ganze Massiv überschauen will.«
    »Zeigen Sie sie uns! Sie müssen die GSG 9 dort hinführen, Herr Baumgartner.«
    »Kein Problem. Das sind zu Fuß zwanzig Minuten von hier. Ein Boot brauchen wir ja nicht. Der See ist ja zugefroren.«
    Hans-Dieter Schnur sprach eilig ein paar Befehle in sein Headset und tippte etwas in seinen Laptop. Zwei Minuten später klopfte es an der Tür des Konferenzraums, und ein in eine dunkelgraue Kampfmontur gekleideter Kommando-Polizist holte Thien Hung Baumgartner ab. Thien bekam Einsatzstiefel, eine schusssichere Weste und einen Helm, und zwei weitere Minuten später marschierten zwei GSG 9 -Polizisten vor ihm, zwei neben ihm und eine Handvoll hinter ihm.
    Es tat Thien gut, aus dem Muff des Konferenzraumes herauszukommen und sich in der klaren kalten Abendluft bewegen zu können. Im Laufschritt ging es den Eibsee-Rundweg entlang, bis Thien schließlich am Steilufer des Sees stehen blieb und hinüber zur Maximilianinsel wies.
    »Sie bleiben hier oben«, befahl der Truppführer.
    Thien gehorchte. Was er an diesem Tag erlebt und durchgemacht hatte, reichte fürs ganze Jahrzehnt.
    Die Männer des Einsatzkommandos glitten lautlos den Hang zum See hinab. Unten sammelten sie sich im Schutz der Bäume und schlichen dann langsam über das Eis zur Insel. Dann ging alles ganz schnell. Thien hörte einen Befehl gellen, dann knirschte Holz, ein greller Blitz flammte auf der Insel auf und ein lauter Knall ertönte, dann ein paar kurze Rufe. Der letzte lautete: »Sauber!«
    Der Mann, der neben Thien gewartet hatte, um auf ihn aufzupassen, erhielt einen Funkspruch. »Ob Sie sich davon überzeugen wollen, dass die Hütte leer ist, fragt unser Kommandant.«
    Thien
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