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Kreuzzug

Kreuzzug

Titel: Kreuzzug
Autoren: Marc Ritter
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im Führerstand sahen, wie der Politiker auf den glatten Sohlen seiner schwarzen Schuhe über den vereisten Parkplatz schlitterte. Einer seiner Sicherheitsleute hielt ihn ständig am Arm, damit er sich nicht der Länge nach hinlegte und überhaupt vorwärtskam. Hätte Hans-Peter Lackner gewusst, dass er an diesem Tag einen solchen Einsatz am Fuß der Zugspitze würde absolvieren müssen, hätte er sich am Morgen seine lammfellgefütterten Schuhe mit Gummiprofil angezogen. Hätte er gewusst, wo und wie er an diesem Tag nächtigen würde, wäre er gleich im Bett geblieben.

Kapitel dreizehn
    Salzsee von Uyuni , 2003
    P edro war sechs Jahre bei den Jesuiten in die Schule gegangen. Es gab nicht mehr viel, was sie ihm beibringen konnten. Er spielte Beethoven auf dem Piano, kannte sich in Analysis wie in Geometrie aus und rechnete auf dem Papier die Gleichungen nach, die die NASA auf ihren Supercomputern anstellte, um ihre Erdüberwachungssatelliten über dem Salar zu kalibrieren. Er hatte in einer Zeitschrift, die ein deutscher Tourist in einem der Jeeps liegen gelassen hatte, gelesen, dass man dafür den Salzsee von Uyuni nutzte, weil er die größte beinahe komplett flache Stelle der Erde war. Über fast elftausend Quadratkilometer gab es nur einen Höhenunterschied von gut einem Meter. Zudem sorgte die Lage auf dreitausendsechshundert Höhenmetern und die Abwesenheit von größeren Siedlungen und Fabriken in der Umgebung des Sees für klarste Luft, besonders in den trockenen Sommermonaten. Aus dem All betrachtet, war der Salar der größte Spiegel des Sonnensystems.
    Die Überlegung, dass die Supermacht Amerika seinen See benötigte, um ihre Abermillionen Dollar teuren Satelliten scharf zu stellen, erfüllte Pedro mit Stolz. Doch dieser Stolz wich bald dem Bewusstsein, dass da ständig Satelliten über ihm kreisten, die Bilder von seinem See machten. Auch wenn dies nur zur Feinjustierung der Kameras und Entfernungsmesser geschah, war der Salar de Uyuni mit Sicherheit einer der am besten aus dem All dokumentierten Plätze der Welt.
    Nach und nach wollte Pedro auch nicht mehr glauben, dass die Amerikaner nur ihre Forschungssatelliten über der ewigen Salzfläche kalibrierten, um das Schmelzen der Eiskappen an den Polen millimetergenau messen zu können. Je mehr er nach dem 11 . September 2001 über die Abwehr- und Spionagesatelliten las, die rund um die Uhr allen Funkverkehr auf der Erde überwachten und jeden Zentimeter fotografierten, desto mehr war ihm die Rolle seines Salars de Uyuni sogar peinlich.
    Schließlich gipfelte das ungute Gefühl, das er bei dem Gedanken empfand, dass seine einzigartige Heimat an der Spionageindustrie der USA ungefragt mitzuwirken hatte, in heißem Zorn auf die Amerikaner. Oder hatten sie irgendjemanden gefragt, ob sie ihre Satelliten über bolivianischem Grund feinjustieren durften, damit sie später Daten lieferten, mit denen amerikanische Marschflugkörper irakische Ziele punktgenau treffen konnten?
    Über dem Grund des jahrtausendealten Volkes der Aymara ?
    Seines Volkes?

Kapitel fünfzehn
    Waggon der Zugspitzbahn , 13  Uhr 17
    E s herrschte eine gespenstische Atmosphäre. In den Waggons war es ruhig. Nur ab und zu jammerte ein Kind. Dann wirbelte einer der Bewaffneten jedes Mal herum und warf der Mutter einen drohenden Blick zu, die daraufhin versuchte, ihr Kind zum Schweigen zu bringen.
    Neben der batteriebetriebenen Notbeleuchtung der Waggons, die sich bei der Notbremsung des Zugs automatisch eingeschaltet hatte, schien Halogenlicht von der Spitze des Zuges her durch die Scheiben. Thien wusste nicht genau, was dort vorn vor sich ging. Er hörte durch das zerschlagene Fenster eine Sitzreihe vor ihm nur, dass wohl einige Männer aus dem vorderen Waggon ausgestiegen waren und vor dem Zug herumliefen. Dabei unterhielten sie sich in kurzen Sätzen und einer Sprache, die Thien nicht kannte. Sie bastelten wohl an etwas herum, denn ab und an hörte man ein Klacken, als würden Metallteile miteinander verbunden und Metallkisten gestapelt.
    Schließlich bewegte sich das Gemurmel der Männer auf Thien zu. Er hörte das Knirschen ihrer Schritte im Schotter, dann sah er drei Maskierte auf seiner Seite des Zuges vorbeigehen. Sie trugen große Rucksäcke, und zwei von ihnen schleppten eine mittelgroße Metallkiste. Sie verschwanden hinter dem Zug, und kurze Zeit später flammte auch dort hinten helles Licht auf, und wieder war das Klacken von Metall zu vernehmen.
    Irgendetwas bauten sie dort
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