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Kreuzzug

Kreuzzug

Titel: Kreuzzug
Autoren: Marc Ritter
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hinten zusammen, aber Thien konnte sich keinen Reim darauf machen, was es sein könnte. Er fragte sich auch, wo der Strom für die hellen Strahler herkam. Hatte die Stromversorgung des Tunnels die Sprengungen und Felsstürze überstanden? Er konzentrierte sich weiter auf jedes Geräusch, das er vernahm, und auf alles, was er sah. Er hatte in den letzten Minuten den Fotorucksack, der unter seiner Bank stand, zunächst mit den Füßen und dann, als er ihn mit den Fingerspitzen erreichen konnte, mit einer Hand nach vorn gezogen. Er ertastete den Reißverschluss und zog ihn Zahn um Zahn auf. Vielleicht bot sich an diesem Tag
in
der Zugspitze statt
auf
ihr die Chance seines Lebens, Bilder zu schießen, die ihn weltberühmt machen würden.

Kapitel sechzehn
    Zugspitzbahnhof Eibsee , 13  Uhr 38
    D er Ministerpräsident erklomm die Stufen zum ersten Stock des kleinen Gebäudes, in dem sich der Steuerstand der Zugspitzbahn befand. Er trat in den engen Raum und begrüßte Franz Hellweger und den Rotkreuzler Sepp Gmeinwalder. Matthias Meier und Ronny Vierstetter hatten es vorgezogen, dem Landeschef aus dem Weg zu gehen. Der eine, weil er vor dem hohen Herrn kein Wort herausbekommen hätte, der andere, weil er sich als aufstrebender Polizist der Bayerischen Polizei nicht von seinem obersten Dienstherrn beim Nichtstun zusehen lassen wollte.
    »Grüß Gott, die Herren.« Ministerpräsident Lackner gab beiden Männern die Hand, die sich jeweils kurz mit der Nennung ihres Nachnamens vorstellten.
    »Na, wie ist die Lage?«
    Franz Hellweger ergriff nach kurzem Schweigen das Wort. »Mei, jetzt haben wir da die zweite Lok hingeschickt, diesmal mit Bagger und Gerät zum Schaufeln. Der erste Trupp hat nichts feststellen können. Irgendwann müssen wir anfangen zu graben.«
    »Ich meinte, was ist mit den Menschen in dem Zug? Haben Sie irgendetwas gehört, gesehen?«
    »Nichts, rein gar nichts«, mischte sich Sepp Gmeinwalder ein. Für Menschen fühlte er sich zuständig. Sollte Hellweger sich um die Technik kümmern.
    »Und das Worst-Case-Szenario?«, fragte der Ministerpräsident. Er erntete nur verständnislose Blicke.
    »Ich meine: Was kann schlimmstenfalls passiert sein?«
    »Schlimmstenfalls? Ja mei, schlimmstenfalls sind sie alle tot.« Franz Hellweger erschrak vor sich selbst, wie gelassen er über den möglichen Tod von zweihundert Menschen sprach.
    »Aber das darf doch nicht sein. Das ist ja ein GAU . Ein Super- GAU !« Lackner wurde laut. Lauter, als ihn seine beiden Gesprächspartner je im Fernsehen erlebt hatten.
    »Kann sein, muss aber nicht«, beschwichtigte Gmeinwalder. »Solange wir nicht wissen, wie es in dem Tunnel aussieht, muss auch keiner tot sein.«
    »Aber eins ist klar«, ergänzte Hellweger. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Drum wäre es gut, wenn wir die Bundeswehr zum Graben bekommen könnten, und zwar schnell.«
    »Kriegen Sie, kriegen Sie. Sie bekommen jede Hilfe, die Sie brauchen, verlassen Sie sich auf mich. Ich habe die entsprechenden Stellen bereits wachgerüttelt. So. Und ab jetzt sind Sie, mein lieber Herr Hellweger, und Sie auch, Herr Thaler, im erweiterten Krisenstab, den ich hiermit ins Leben gerufen habe. Wir richten uns drüben im Eibsee-Hotel ein. Hier ist ja kein Platz für eine solche Runde. Sie haben Funk und Handy hier?« Der Ministerpräsident wies seinen Bürochef, der die ganze Zeit wie ein Schatten hinter seiner massigen Figur gestanden hatte, an, die Kommunikation mit Hellwegers Leitstand zu klären, und verschwand mit einem: »Bis später, meine Herren.«
    Draußen lief er der Reporterin von RTL direkt in die Arme. Sie hatte bereits ihren Kameramann so postiert, dass der Zugspitzgipfel einen schönen Hintergrund abgab.
    »Herr Ministerpräsident, eine erste Stellungnahme bitte!«
    Lackner mäßigte seine Schritte und versuchte trotz des rutschigen Untergrundes einen souveränen Auftritt hinzubekommen. Seine beiden Sicherheitsmänner hielten sich auffangbereit einen halben Schritt hinter ihm, wagten aber nicht, den Ministerpräsidenten vorauseilend zu stützen. Sie wussten, dass dieses Bild in der Öffentlichkeit nicht gut ankommen würde.
    Lackner war Medienprofi genug, um spontan die richtigen Worte zu finden. »Wir haben eine schwierige Situation, aber die gute Nachricht: Wir haben bisher alles unter Kontrolle.«
    »Was ist dort oben passiert, Herr Ministerpräsident?«
    Mit ernster, aber nicht zu ernster oder gar alarmierter Miene blickte er die Reporterin fest an. »Nach dem
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