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Kreuzzug

Kreuzzug

Titel: Kreuzzug
Autoren: Marc Ritter
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mittlerweile nur noch den billigsten Regenbogenblättern verkaufen. Die sogenannte Qualitätspresse hatte die Selbstinszenierungen des Ministerehepaares allmählich satt.
    Schultheiß versuchte das Schlimmste zu verhindern, indem er sagte: »Ah, Ihre Frau Gemahlin, das ist ja großartig. Dieses Mal wird sie ja die unbequeme Weste nicht brauchen, nicht wahr? Ich denke, dass sie auch in einem Winterparka der Gebirgsjäger eine ausgezeichnete Figur machen wird. Das wird schöne Bilder geben, wenn sie in der Kaserne den erschöpften Männern Gulaschsuppe ausgibt. Ich lass einen Parka Größe Medium in den Helikopter legen.«
    »Gute Idee, Schultheiß. Dresscode Winterparka. Für mich auch, bitte. Für Carolin legen Sie auch einen in Small dazu. Und ein Feldkoppel, damit sie das Ding hüftbetont tragen kann. Sie wissen ja, wie die Frauen sind. Aber jetzt mal Butter bei die Fische: erschöpfte Männer? Planen wir denn schon einen Einsatz?«
    »Die Führung der zehnten Panzerdivision, zu der die Gebirgsjägerbrigade dreiundzwanzig gehört, ist fest entschlossen, aus diesem Einsatz eine große Imagesause zu machen. Der Chef der Dreiundzwanzig in Bad Reichenhall und der Kommandeur Ihres alten Bataillons zwodreiunddreißig in Mittenwald stehen ebenfalls voll hinter der Sache. In Mittenwald sind drei Kompanien marschbereit, inklusive des Hochgebirgszugs, der ja immer für spektakuläre Bilder gut ist, Abseilen vom Hubschrauber und so weiter. Die Jungs sollen im Schichtdienst an dem Felssturz graben und außerdem bei der Evakuierung der Skifahrer vom Gipfel mithelfen. Es geht nämlich nur mehr eine Bergbahn nach unten, die nach Österreich, nicht wahr? Da wird es Engpässe geben. Leute müssen oben ewig warten. Mit Kind und Kegel. Übernachten vielleicht. Dazwischen unsere Jungs im humanitären Einsatz. Schöne Bilder!«
    »Die haben auch ein Riesenloch auf dem Imagekonto. Gerade die Zwodreiunddreißig. Knietief im Renommee-Dispo, könnte man sagen.« Den Minister erfreute sein Wortwitz selbst am meisten, und mit einem Grinsen sah er in die Runde. In der Tat bot ein beherztes Eingreifen eine gute Chance, das ramponierte Ansehen seiner Gebirgsjäger aufzupolieren. Die Bilder von auf Totenschädel pinkelnden Mittenwalder Jägern in Afghanistan und die Berichte über ekelerregende Initiationsriten junger Gefreiter waren immer noch im öffentlichen Bewusstsein präsent.
    »Aber mal ganz ehrlich, Schultheiß, dann ist es doch ein weiteres PR -Highlight, wenn ich mich persönlich mit Carolin an den Einsatzort begebe. Ich meine jetzt: PR für die Truppe. Der Minister lässt seine Einheit, bei der er vor zwanzig Jahren gedient hat, nicht im Stich und so weiter und so fort.«
    Oberst Schultheiß rang sichtlich um die richtigen Worte. »Äh … Ja, Herr Minister. Grundsätzlich natürlich schon, nicht wahr? Sie beide machen sich im Fernsehen immer gut. Und Ihre alte Einheit: großartig. Wirklich großartig. Vielleicht sollten wir die Entwicklungen aber noch ein paar Stunden abwarten. Bisher, ganz offen gestanden, haben wir noch keine belastbare Information, was in diesem Tunnel überhaupt passiert ist. Es kann eine Riesenkatastrophe mit zweihundert Toten gegeben haben, oder die ganze Sache ist nur ein Strohfeuer. Im ersten Falle wären Sie der Hauptakteur einer Negativstory voller Blut, Tränen und heulender Witwen, was es zu vermeiden gilt, und im letzteren wäre die Anwesenheit unseres beliebtesten deutschen Politikers reine Verschwendung. Wir sollten mit Ihren Auftritten allmählich ein wenig geiziger werden, wenn Sie mich fragen, nicht wahr? Und da doch schon der Ministerpräsident …«
    »Ja, Mann, Schultheiß, das ist es doch! Wir haben es vielleicht mit einer Tragödie von nationaler Bedeutung zu tun. Und – bei allem Respekt vor dem Amt des Bayerischen Ministerpräsidenten sowie den persönlichen Leistungen eines Hans-Peter Lackner – die Zugspitze ist nun einmal Deutschlands höchster Berg, da sollte schon ein Mitglied des Bundeskabinetts Flagge zeigen.«
    »Vielleicht wollen Sie zunächst mit der Kanzlerin …«
    »Mein lieber Schultheiß. Der Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland weiß, wann er seine Kanzlerin informieren muss. Wir sprechen hier von einem möglichen Bundeswehreinsatz, aber es ist noch kein Krieg ausgebrochen. In dem Moment, da wir einigermaßen gesicherte Informationen haben, wie es den Leuten in dem Zug geht, werden wir die Kanzlerin natürlich umgehend in Kenntnis setzen. Aber bis dahin
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