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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg
Autoren: Oliver G. Wachlin
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man Hünerbein
mit solchen Argumenten immer zu irgendwelchen Imbissbuden lotsen. Der Kerl lebt
schließlich für seinen Magen. Doch seit zwei Monaten hat er eine neue Freundin,
Catherine Hirondeau, eine Astrologin, die ihm eine neue Diät aufgeschwatzt hat.
Essen nach Sternen oder so. Und in dieser frühen Morgenstunde ist die
Konstellation der einzelnen Himmelskörper wohl gegen eine Nahrungsaufnahme,
denn Hünerbein fährt an sämtlichen Dönerläden vorbei und schwatzt mich voll.
    »Kinder
sind was Tolles! Ich habe all meine Ehen nie bereut, solange wir Kinder
bekommen haben. Denn das ist es, was zählt: die Nachkommen! Blut ist dicker als
Wasser, weißt du? Warte mal, wenn Monika jetzt in der zehnten Woche ist, dann
ist die Geburt im … ähm … Februar.«
    Was, schon
im Februar? Das erschreckt mich jetzt doch ein wenig.
    »Ende
Februar, Anfang März«, räsoniert Hünerbein nachdenklich. »Dann wird’s ein
Wasserzeichen, violett und blau, das heißt: harmonisch, hilfsbereit, sensibel,
verlässlich …«
    Wovon redet
der Kerl?
    »… gesellig,
kreativ und verständnisvoll. Kurzum: ein Fisch.«
    »Ein
Fisch?« Ich verstehe kein Wort.
    »Kann auch
sehr zärtlich und leidenschaftlich sein, der Fisch …«
    Und
ziemlich glibschig, denke ich.
    »… wenn
er den Partner fürs Leben gefunden hat.« Hünerbein fährt die Monumentenstraße
hinunter. »Der richtige Partner ist sehr wichtig, denn Fische brauchen Wärme
und Geborgenheit.«
    Auf der
Katzbachstraße blaulichtern die Streifenwagen. Ein Riesenaufgebot, wie für eine
Hundertschaft. Polizisten spannen Absperrbänder vor den Zuwegen des Parks. Es
dürfen nur noch Leute raus, aber niemand mehr rein. Ein paar verspätete
Nachtschwärmer, die noch auf einen Absacker ins »Golgatha« wollten, maulen
herum, verziehen sich aber dann in den »Alptraum«, eine Eckkneipe gegenüber.
Hünerbein stoppt seinen alten 250er Mercedes, kurbelt die Seitenscheibe
herunter und wedelt mit seinem Dienstausweis herum.
    »Wo müssen
wir denn hin?«
    »Die mobile EZ steht in der Kreuzbergstraße«, antwortet einer der Polizisten
und deutet nach links. »Die warten schon auf Sie.«
    »Ist das
wahr?« Hünerbein legt verwundert den Gang ein. »Weißt du was von ’ner mobilen
Einsatzzentrale?«
    Nee. Woher
auch? Ich war besoffen. »Wer hat denn heute Nacht Dienst?«
    »Beylich«,
knurrt Hünerbein. »Der muss völlig durchgedreht sein.«
    Oder es ist
mehr passiert als nur ein Mord, überlege ich, denn auch die Kreuzbergstraße ist
in flackerndes Blaulicht gehüllt. Vergitterte Streifenwagen stehen dicht an
dicht hintereinander. Dazu die Bullis der Spurensicherer und der
Kriminaltechnik sowie ein Lkw der Hundestaffel. Polizisten rennen geschäftig
mit quäkenden Funkgeräten herum. Schwarz gekleidete Männer eines SEK sitzen von einem Kleinlaster ab und bereiten sich offenbar auf ihren Einsatz
vor. Ein Uniformierter mit orangefarbener Sicherheitsweste und Leuchtstab
bedeutet uns mit ausladenden Handbewegungen anzuhalten.
    »Sardsch«,
Hünerbein tritt auf die Bremse, »das sieht nach einer aufregenden Nacht aus.«
    Na, vielen
Dank auch. Meine Nacht war schon aufregend genug.
    Hünerbein
hält seinen Dienstausweis aus dem Seitenfenster. »Die Hauptkommissare Knoop und
Hünerbein von der M1. Was ist hier eigentlich los?«
    »Großfahndung«,
meldet der Beamte, »der Golgatha-Täter hat wieder zugeschlagen.«
    »Der was?«
    »Der
Mädchenschänder«, wird der Beamte deutlich, »also wenn Sie mich fragen, Schwanz
ab und den Typen an den Eiern aufhängen!«
    »Wir fragen
Sie aber nicht.« Hünerbein öffnet die Fahrertür und schält sich schwerfällig
aus dem Wagen. »Ist er noch im Park?«
    »Sehnse«,
triumphiert der Beamte, »Sie fragen doch.«
    »Ob er noch
im Park ist!«
    Auch ich
steige aus.
    »Keine
Ahnung! Fragen Sie die Einsatzleitung.«
    Er zeigt zu
einem grummelnden grünen Kastenwagen mit rotierenden Rundumleuchten. Inga Lenz
steht davor, die immer sehr toughe und gänzlich humorfreie
Gleichstellungsbeauftragte der Berliner Polizei und Leiterin der Abteilung
Sexualdelikte bei der Kripo. Breitbeinig kommt sie auf uns zu, drahtig wie ein
Kerl, in Lederjacke und Springerstiefeln und mit einer
Gabriele-Krone-Schmalz-Frisur über den stahlgrauen Augen. Aggressiv funkeln sie
uns an.
    »Ausgeschlafen,
die Herren?«
    »Du lieber
Gott«, flüstert Hünerbein, »was will denn die Kampflesbe hier?«
    »Für die
Rechte der Frau streiten, vermutlich«, raune ich zurück, »sind
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