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Kreuzberg

Kreuzberg

Titel: Kreuzberg
Autoren: Oliver G. Wachlin
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ja
überproportional viele Männer hier am Einsatz beteiligt.«
    »Sparen Sie
sich Ihre Ironie für den Stammtisch«, schon schnüffelt Inga Lenz an mir herum,
»von dem Sie ja offenbar gerade kommen. Schon mal was vom Alkoholverbot im
Dienst gehört? Sie stinken wie eine Kneipe!«
    »Bis eben
hatte ich keinen Dienst«, versuche ich mich zu verteidigen und will aufs
Wochenende hinweisen, doch Inga Lenz lässt mich nicht zu Wort kommen.
    »Die Kampflesbe«,
tönt sie laut, denn natürlich hat sie unser Geflüster gehört, »leitet hier den
Einsatz und erwartet von Ihnen, dass Sie endlich Ihren Aufgaben nachgehen!«
    »Na,
vielleicht setzen Sie uns mal ins Bild!« Hünerbeins Gesicht ist rot geworden,
seine Stimme lauter.
    » DAS WERDE ICH TUN «, brüllt Inga Lenz zurück, » SCHMITTKE!
IHR JOB! «
    Wer als
Mann für Inga Lenz arbeitet, muss sehr gute Nerven haben, kein übermäßiges Ego
und einen überaus weit gespannten Toleranzbogen. Auf Schmittke scheint das
alles zuzutreffen, denn er nähert sich lächelnd. Ein fröhlicher Schlaks, um die
dreißig, mit längeren blonden Locken, einer Cokedose in den Händen und einem
Aktenordner unter dem Arm.
    »Ah, die
Kollegen von der M1, guten Morgen«, begrüßt er uns gut gelaunt. »Ja, wie Sie
vielleicht wissen, fahnden wir seit sechs Monaten nach einem Sexualstraftäter.«
Er deutet auf den düsteren Park.
    Zwischen
den weitläufigen Grünflächen mit ihren dichten Büschen und alten Bäumen blitzen
immer mal wieder die Lichter von Taschenlampen auf, und man hört die Suchhunde
kläffen.
    »Bislang
sind sechs Mädchen überfallen worden. Alle waren auf dem Weg vom oder ins
Golgatha.«
    Schwierige
Ausgangslage, denke ich. Das Golgatha liegt mitten im Viktoriapark, ein uriger
Biergarten, unübersichtlich, mit viel Publikum. Nachts legen sie dort Platten
auf, die Leute tanzen, sie stören ja niemanden. Die Disco ist beliebt bei Jung
und Alt, die Musik so vielfältig wie die Gäste: George Bensons »On Broadway«
wird genauso gespielt wie Suzi Quatros »If you can’t give me love« und »The
Power« von SNAP !, es ist für jeden was
dabei.
    »Heute
haben wir einen Notruf erhalten, der in eine ähnliche Richtung ging«, erklärt
Schmittke weiter. »Etwa Viertel vor eins, das kam über die Zentrale rein, und
wir sind sofort raus. Großfahndung, sehen Sie ja! Der Park wurde hermetisch
abgeriegelt und wird derzeit durchsucht.« Er nimmt einen Schluck Cola und lacht
uns an. »Hoffentlich kriegen wir den Täter noch.«
    »Und das
Opfer?«, erkundige ich mich.
    »Tot,
leider«, Schmittke verzieht bedauernd das Gesicht, »deswegen haben wir Sie ja
hinzugerufen.« Wieder deutet er in den Park. »Die Leiche befindet sich da oben
am Wasserfall. Vielleicht schauen Sie sich das mal an.«
    »Können wir
denn da jetzt einfach so rein?« Hünerbein entsichert seine Dienstwaffe. »Nicht
dass uns eine dieser Hundestaffeln anfällt.«
    »Aber
nein«, versichert Schmittke und lacht ausgelassen, »die Kriminaltechniker sind
ja auch schon da und wurden noch nicht gebissen.«
    »Na gut.
Dann schauen wir uns die Sache mal an. Sagen Sie das der Kollegin Lenz, ja?
Nicht dass sie sich um uns sorgt.«
    »Aber
klar«, strahlt Schmittke, »mach ich.«
    Wir
traben los. Der Mond ist verschwunden, untergegangen oder noch irgendwo hinter
den Häusern oder den Bäumen versteckt, der Himmel schwarz und sternenlos.
Vielleicht sind auch Wolken aufgezogen, im Wetterbericht hatten sie für die
Nacht ein paar Gewitter vorhergesagt. Es ist schwül, die Luft steht still. Um
uns herum ist es stockfinster. Wir hätten uns Taschenlampen mitnehmen sollen,
die Wege sind kaum zu erkennen.
    »Im Keller
habe ich noch ’ne Wickelkommode«, schnauft Hünerbein dicht hinter mir. »Die
könnt ihr haben.«
    »Eine was?«
    »Wickelkommode«,
Hünerbein betont jede Silbe, »fürs Baby. Zum Windeln.«
    »Ah«, mache
ich und nicke gähnend. Mann, hab ich einen Hunger! Aber wenigstens ist die
Imbissbude Katzbach-, Ecke Kreuzbergstraße geöffnet, das habe ich vorhin
gesehen, als wir mit dem Wagen dran vorbeigefahren sind. Da werde ich mir
nachher erst mal einen Döner holen.
    Mühsam
tasten wir uns voran. Rechter Hand rauscht der Wasserfall. Zu sehen ist er
nicht. Etwas oberhalb am Berg dringt gleißendes Licht durch das Laub der Bäume
und Sträucher. Das muss Damaschkes Scheinwerferbatterie sein, die er immer an
den Tatorten aufstellen lässt. Ein grummelndes Dieselaggregat versorgt sie mit
Strom. Ich hab es auf der Straße
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