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Krank (German Edition)

Krank (German Edition)

Titel: Krank (German Edition)
Autoren: Jack Kerley
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gewesen.
    »Die Kavallerie ist gerade noch rechtzeitig eingetroffen«, stellte ich fest. »Vielen Dank.«
    »Das war knapp«, meinte Krenkler. »Wir können von Glück reden, dass man uns über Ihren kindischen Alleingang in Kenntnis gesetzt hat.«
    Mit dem Kinn deutete sie auf die Scheunentür, durch die – in Begleitung von einem halben Dutzend FBI -Agenten und mit den Händen auf dem Rücken – mein Bruder hereinspazierte. Allem Anschein nach hatte Krenkler ihn sofort durchleuchtet, nachdem er bei Burtons Aufbahrung aufgetaucht war, während Jeremy felsenfest davon überzeugt gewesen war, er hätte sie mit seinem Angebot zu helfen ausgetrickst. Tja, da hatte er die Lady wohl falsch eingeschätzt. Sein Leben im Wald – sein Leben in der wahren Welt – war unwiderruflich vorbei.
    Jeremy sagte etwas zu einem der Agenten, der mich ansah und dann lachte. Augenzwinkernd winkte mir mein Bruder zu.
    Keine Handschellen.
    Der Agent klopfte Jeremy auf die Schulter und nickte mir zu. Die beiden lachten, als würden sie sich köstlich über mich amüsieren.
    »Doktor Charpentier hat sich vor einer Stunde bei uns gemeldet«, erklärte Krenkler, »und uns berichtet, Sie hätten morgens bei ihm vorbeigeschaut und sich hinterher auf die Suche nach einem abgelegenen Ort im Norden des Countys gemacht. Da Sie McCoy auf dem Handy nicht erreichen konnten, hofften Sie, ein Mann wie der Doktor, der die Wälder hier wie seine eigene Westentasche kennt, könnte Ihnen mit einer Wegbeschreibung aushelfen.«
    Mit einem flüchtigen Blick auf meinen Bruder sagte ich: »Ich, ähm … ja, das stimmt.«
    »Nach Einschätzung des Doktors haben Sie sich ziemlich komisch aufgeführt. Dafür, dass er um Ihre Sicherheit fürchtete und uns verständigt hat, sind Sie ihm was schuldig.«
    Rourke streckte die Hand aus und half mir beim Aufstehen. Ich legte die Hände auf die Knie, schloss kurz die Augen und versuchte, mich zu sammeln. Mein Bruder hatte sich in die Höhle des Löwen begeben, um mich zu retten.
    Kopfschüttelnd ging Krenkler von dannen, um den Toten in Augenschein zu nehmen, und instruierte ihre Agenten wie arbeitsscheue Hotelpagen, die auf Trab gebracht werden mussten. Ich stellte mich zu Jeremy, der nun allein war.
    »Danke, Doc«, sagte ich.
    »Das war sehr lehrreich«, meinte er leise, steckte die Hände in die Hosentaschen und lehnte sich lässig an die Wand. »Auf dem Weg hierher mimte ich den wissensdurstigen Akademiker und fragte die Jungs, wie das läuft, wenn sie jemandes Vergangenheit durchleuchten.«
    »Die Jungs?«
    »Und, nicht zu vergessen, unsere reizende Miss Krenkler. Ohne dass es ihnen aufgefallen wäre, habe ich eine ganze Menge erfahren. Ein paar kleine Kunstgriffe und meine neue Identität ist hieb- und stichfest.«
    Ich schüttelte den Kopf: Wieder einmal hatte mein Bruder die Situation gemeistert. Ich begab mich nach draußen und suchte Cherry, die für einen Check-up ins nächste Krankenhaus gebracht werden sollte. Die Sanitäter waren so freundlich, uns ein paar Minuten allein zu lassen. Anschließend folgte ich dem Krankenwagen in meinem Pick-up.
    Es dauerte knapp eine halbe Stunde, bis man Cherry gründlich untersucht und geröntgt hatte. Die Ärzte befanden, dass ihr Zustand angesichts dessen, was ihr widerfahren war, nichts zu wünschen übrigließ, und entließen sie. Wir fuhren zu ihr nach Hause und duschten so lange, bis nur noch kaltes Wasser kam. Hinterher gab sie Whisky und Eiswürfel in zwei Gläser, verlängert mit etwas Mineralwasser, und wir setzten uns auf die Veranda und betrachteten den Sternenhimmel.
    »Wie gut hast du Horace eigentlich gekannt?«, fragte ich sie.
    Sie ließ sich mit ihrer Antwort Zeit. »Er lachte viel, überhäufte mich bei jedem Anlass mit Geschenken, die meine Mutter sich nie und nimmer hätte leisten können. Ich war gern in seiner Nähe, denn er roch immer so gut. Als kleines Mädel wollte ich ständig auf seinem Schoß sitzen und die Arme um ihn schlingen. Einmal …«
    Sie brach ab und starrte ins Leere.
    »Sprich weiter«, forderte ich sie auf. »Lass es raus.«
    »Ich … ich muss damals zehn oder elf gewesen sein. Es war an meinem Geburtstag. Ich saß auf seinem Schoß, fütterte ihn mit Eiscreme, spürte, wie er seine Hand auf meine Beine legte. Und dann … fühlte sich es auf einmal komisch an, und ich sprang auf. Ich erinnere mich noch ganz genau an seinen irritierten Blick. Seinerzeit glaubte ich, etwas falsch gemacht zu haben.«
    »Meinst
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