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Krank (German Edition)

Krank (German Edition)

Titel: Krank (German Edition)
Autoren: Jack Kerley
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du …«
    »Ich denke, er wollte etwas austesten, das ihm dann genauso einen Schrecken eingejagt hat wie mir. Von da an behauptete er, ich wäre zu groß zum Kuscheln. Lange Zeit dachte ich, es läge daran, dass ich ihn bekleckert hatte. Bald darauf kam ich auf die Junior Highschool, spielte in einer Band, arbeitete bei der Schulzeitung mit, ging auf die Highschool, trieb mich in Clubs herum, begann mich für Jungs zu interessieren. Damals verging die Zeit wie im Flug. Irgendwann ging ich aufs College und studierte. Eigentlich habe ich ihn nach meinem dreizehnten, vierzehnten Lebensjahr nur noch sporadisch gesehen, weil zu viele andere wichtige Dinge in meinem Leben passierten.«
    »Trotzdem hat er dir sein Blockhaus vermacht.«
    »Horace veränderte sich im Lauf der Jahre, verwandelte sich mehr und mehr in einen Einsiedler. Er lachte nur noch selten, litt unter Herzvergrößerung. Ich besuchte ihn, und er schien sich darüber zu freuen, und … ähm …«
    Die Wahrheit holte sie ein und trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie stand auf, wischte sie mit dem Handrücken weg und marschierte so lange auf der Veranda auf und ab, bis sie sich wieder beruhigt hatte.
    »Ich kann es einfach nicht fassen, dass er so ein Monster war, Carson. Ein abscheuliches Monster. Jetzt, wo ich weiß, was er getan hat, kann ich hier nicht mehr wohnen.«
    »Vielleicht hat Horace sich am Ende seines Lebens geändert«, gab ich zu bedenken.
    »Solche Typen ändern sich nie, Carson. Dazu sind sie einfach viel zu kaputt.«
    Sie ließ sich auf den Stuhl fallen und verbarg den Kopf in den Händen. Ich ging zu ihr und legte meine Hand auf ihre Schulter.
    »Wusstest du, das Lee McCoy zu dem Bergungsteam gehörte, das deinen Onkel heraufgeholt hat?«, fragte ich sie.
    In ihrer Miene spiegelte sich Verwirrung. »Das hat er nie erwähnt.«
    »Es gibt noch etwas, das Lee für sich behalten hat.«
    Ich berichtete, wie der Ranger bei der Bergung den kleinen Zettel gefunden hatte, der an Horaces cremefarbenen Anzug geheftet gewesen war, und reichte ihn ihr. McCoy hatte ihn drei Jahre lang aufbewahrt, weil er dachte, dass er irgendwann noch einmal von Nutzen sein könnte. Ich hatte McCoy gebeten, ihn ins Krankenhaus zu bringen.
    Donna Cherry überflog die Worte:
    Ich entschuldige mich für alles, was ich getan habe.
    Sie faltete den Zettel, legte ihn in ihre Hand und schloss sie. Gemeinsam spazierten wir zum Rand des Abgrundes, auf den ein wenig Verandalicht fiel.
    »Zwei Männer, die mit den Camps zu tun hatten, sind hier gestorben, Carson. Einer hat sich den Horror ausgedacht, der andere war darin gefangen. Beide wollten sich von ihrer Vergangenheit befreien. Warum sind sie hier gestorben? Was bedeutet das?«
    »Das kannst du deuten, wie du möchtest«, meinte ich. »Hauptsache, es funktioniert für dich.«
    »Wie meinst du das?«
    Anstatt ihr zu antworten, lief ich die Verandastufen hoch, verschwand im Haus und hängte jene Gegenstände ab, mit denen man Hunde abrichtete. Ich brachte sie nach draußen und klärte Cherry über deren Funktion auf.
    »Das ist alles, was von diesem Horror übriggeblieben ist«, sagte ich. »Wenn du dieses Zeug richtig entsorgst, ist der Spuk gebannt und das Haus von der Vergangenheit befreit.«
    Cherry fixierte mich eine Weile, nickte schließlich und verschwand. Kurz darauf kehrte sie barfuß und in einem schlichten weißen Kleid zurück. Auf ihrem Kopf thronte Horaces Hut.
    Sie stellte sich an den Rand des Abgrundes und schloss die Augen. Keine Ahnung, ob sie innerlich sang, betete oder sich etwas wünschte. Nach einer kleinen Weile bückte sie sich, griff nach dem Holzstock, holte weit aus und warf ihn in den Abgrund. So verfuhr sie auch mit den anderen schaurigen Gegenständen. In dem Moment musste ich an ein altes Messer denken, das von grünen Wellen verschlungen wurde.
    Hinterher nahm sie den Hut ab und warf ihn ebenfalls von sich. Ein Windstoß trug ihn in die Tiefe. Mit fragender Miene drehte sie sich zu mir um.
    »Wie habe ich mich gemacht?«, wollte sie wissen.
    »Darüber zu urteilen, steht mir nicht zu«, meinte ich. »Wie fühlst du dich?«
    Sie zog mich an sich.
    »Frei«, flüsterte sie in mein Ohr.

Kapitel 56
    Cherry und ich standen erst nach neun Uhr auf, und das auch nur, weil ihr Handy in einem fort klingelte. »Guten Morgen«, sagte sie. »M-hm. Nicht mehr lange, denke ich. Bis dann.«
    »Das war ja ein kurzes Telefonat«, fand ich.
    »Lee will mit uns … ähm … heute oder morgen zu Abend
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