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Krank (German Edition)

Krank (German Edition)

Titel: Krank (German Edition)
Autoren: Jack Kerley
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dem Fingernagel so lange in der Erde, bis ich die dreieckige Bierflaschenscherbe, die kürzer als mein Daumen war, freigelegt hatte. Der untere Teil war ziemlich dick, während sie oben spitz und flach zulief. Als Waffe taugte dieses kleine Ding kaum, doch das minderte meine Freude über den Fund nicht. Ich schloss die Hand um die Scherbe und warf Stone verstohlen einen Blick zu.
    Der Mann starrte mich unverwandt an.
    »Mir ist nicht entgangen, dass Sie sich bewegt haben«, flüsterte er.
    Er griff nach einem dunklen Holzprügel. Flugs schloss ich die Augen, spürte mein heftig pochendes Herz und versuchte, mich auf das einzustellen, was kam.
    Stone blieb vor dem Käfig stehen, schob den Prügel zwischen den Gitterstäben hindurch und schlug auf meinen Rücken, meine Seite, auf meine Beine.
    Der Schmerz, der durch meinen Körper jagte, fühlte sich wie unzählige Hornissenstiche an.
    Rühre dich nicht  … halte still .
    Noch zweimal traf der Prügel meinen Körper. Als Stone endlich glaubte, ich wäre ohnmächtig, schlenderte er gemächlich zu den Hunden zurück und verdrosch sie mit einem Stock. Sein leerer Blick hatte etwas Gespenstisches. Stone erweckte den Eindruck, als wäre er fremd im Hier und Jetzt, als lebe er in einer Welt, die er physisch vor zwanzig Jahren verlassen hatte und die seine Seele auf immer und ewig gefangen hielt. Er befand sich nicht im Kosmos seiner leidgeprüften Kindheit, der XFL -Kämpfe oder dem Loch unter dem Schuppenboden. Nein, Stone steckte in einer Art Grauzone fest, wo sich all diese Welten überlagerten und die sich hier, an diesem unheilvollen Ort manifestierte, wo vor langer Zeit Kinder in einer Kuhle, die sie das Grab nannten, gegeneinander gekämpft hatten.
    Als den Hunden Schaum vor dem Mund stand und sie fuchsteufelswild waren, ging Stone zu Cherry und löste das Seil vom Eisenring.
    »Los, Colonel«, befahl er und schleifte sie über den Boden zu der Kuhle.
    »Ich bin nicht der Colonel«, keuchte Cherry. »Ich bin …«
    Stone schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht. Sie flog gegen die Wand, rutschte im Hundekot aus und fiel auf die Knie. Stone packte ihren Haarschopf und zog sie hoch. Ächzend richtete sie sich auf. Da der Klebstoff sich langsam auflöste, saß der Hut inzwischen leicht schief auf ihrem Kopf. Stone rückte ihn zurecht und verpasste ihr einen Hieb. Trotz der Wucht des Schlages ging Cherry nicht noch einmal in die Knie.
    »Jetzt ist es an der Zeit, die Jungs kennenzulernen, Colonel«, verkündete Stone.
    Lebte er hier eine Phantasie aus, die er schon während seiner vermeintlichen Entführung zum Selbstschutz entwickelt hatte? Er hatte Powers wie eine Hure hergerichtet und sie getötet, indem er sie – einer perversen Logik folgend – im Wasserbecken taufte . Burton hatte er mit der Art von Fahrzeug kaltgemacht, in dem der Mann höchstwahrscheinlich den jungen Teeter Gasper und William Taithering vergewaltigte. Und Tanner hatte er vergiftet und sich auf diese Weise an dem Pfaffen gerächt, der den Jungs im Camp verdorbenes Essen vorgesetzt hatte.
    Welches Martyrium hatte Stone sich für den Colonel ausgedacht?
    Cherry stöhnte auf, taumelte und schien das Gleichgewicht zu verlieren, was in Wahrheit jedoch ein Täuschungsmanöver war. Es gelang ihr, Stone einen Tritt in den Bauch zu verpassen und ihn zu Fall zu bringen. Sie trat noch einmal zu und traf seinen Kopf. Unglücklicherweise waren Cherrys Attacken ein Witz im Vergleich zu dem, was Stone in der XFL eingesteckt hatte. Er holte mit der Hand aus, als wollte er eine lästige Fliege loswerden, und fegte sie mit Leichtigkeit von den Beinen.
    »Steh auf, Colonel«, flüsterte er. »Los, mach schon!«
    Cherry versuchte sich zu erheben, konnte sich in dem Morast allerdings nicht aufstützen. Wieder packte Stone sie an den Haaren und zog sie hoch. Dabei fiel der Hut von ihrem Kopf. Er schubste Cherry in die Kuhle, wo sie über dem nassen Boden rutschte. Stone hob Cherrys Kleider auf und schob sie mit dem dunklen Prügel durch die Gitter des Hundezwingers. Die aufgestachelten Tiere zerfetzten sie binnen Sekunden. Dann lehnte sich Stone mit dem Rücken an den Zwinger und schob den Käfig Richtung Kuhle.
    »Wir werden frei sein«, rief er Cherry über die Schulter zu. »Heute Abend werden wir beide frei sein, Colonel.«
    Stones Augen funkelten wie elektrisiert, getrieben von der Notwenigkeit, die Fesseln seiner Kindheit abzuschütteln. Grunzend gelang es ihm, den Zwinger bis zum Kuhlenrand zu
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