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Krank für zwei

Krank für zwei

Titel: Krank für zwei
Autoren: Kathrin Heinrichs
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fragte er. Eine Drohung lag in seiner Stimme. Ich überlegte keinen Augenblick länger, peste die Treppenstufen nach unten und riß die Tür zum Flur auf. Niemand war zu sehen. Die Cafeteria geschlossen. Nur das Portal der Kapelle war bloß angelehnt. Ich warf einen Blick zurück. Stefan war noch nicht zu sehen. Mit drei Schritten war ich an der Kirchentür und ließ sie hinter mir ins Schloß fallen. Links stand die Orgel. Ich ging daran vorbei und versteckte mich dahinter. Falls dieser Stefan hereinkam, würde er mich nicht sofort entdecken. Ich atmete durch. Meine Seite schmerzte. Wahrscheinlich von der Herumrennerei. Ich lehnte mich an die kalte Kirchenwand und schloß die Augen. Ob Stefan jetzt schon vorbei war?
    Als ich die Augen öffnete, erschrak ich wie noch nie in meinem Leben. Da stand jemand mit einem Skalpell in der Hand und starrte mich an. Ich konnte nicht atmen. Ich konnte nicht schlucken. Ich hatte einfach nur Angst.
    »Warum sind Sie –?« Meine Worte rannen mir aus dem Mund wie Speichel. Ich fürchtete, im nächsten Moment ohnmächtig zu werden.
    »Schneewittchen«, sagte der Mann. Es war der Läufer. Der Kerl vom Hol- und Bringedienst, der mich damals zusammen mit Gustav durch die Klinik geschoben hatte.
    »Schneewittchen«, wiederholte ich apathisch. Ich konnte kaum denken. Sollte ich den Mann zum Reden bringen? Ihn ablenken?
    »Wer ist Schneewittchen?« Meine Stimme war brüchig. Ich überlegte, wie der Mann hieß. Benno hatte den Namen einmal genannt.
    »Schneewittchen«, sagte mein Gegenüber. Er kam einen Schritt näher. »Du weißt es doch. Du bist doch der einzige, der alles begriffen hat.«
    »Leider weiß ich gar nicht alles«, flüsterte ich. »Ich bin nur zufällig auf das ein oder andere gestoßen. Ich gehöre nicht zur Polizei. Ich bin ein einfacher Patient.«
    »Du hast die Haare gefunden«, sagte der Läufer. Michael hieß er. Er hieß Michael. Jetzt war der Name wieder da.
    »Michael, ich weiß wie schrecklich die ganze Geschichte für Sie gewesen sein muß. Aber glauben Sie mir –«
    »Schneewittchen«, sagte der Mann wieder. Er hörte mir gar nicht zu und kam noch einen Schritt näher. Das Skalpell hielt er wie ein Messer auf mich gerichtet.
    »Michael, hören Sie mir zu. Meine Frau ist hochschwanger. Just in diesen Minuten bringt sie unser Kind zur Welt. Ich werde Vater, verstehen Sie? Ich werde Vater.«
    »Schneewittchen«, sagte der Läufer. Es war zum Verzweifeln. Mit einem Blick taxierte ich seinen Körperbau. Der Kerl war groß, aber nicht übermäßig kräftig. Wenn er noch einen Schritt näher kam, würde ich irgend etwas tun müssen, um nicht alles Weitere ihm zu überlassen.
    »Ich werde Vater, Michael. Sie haben doch auch eine Schwester gehabt. Sie wissen doch, daß Kinder –«
    In dem Moment stürzte er auf mich zu. Ich versuchte auszuweichen und gleichzeitig den Arm mit dem Skalpell zu fassen. Die Klinge ratschte an meinem rechten Unterarm entlang und stieß dann vor die Betonwand. Mein Arm schmerzte wie wild. Trotzdem versuchte ich die Hand mit dem Skalpell zu fassen. Michael schmiß sich herum und schüttelte mich ab. Ich wich zurück. Im nächsten Moment würde er sich auf mich stürzen. Von meinem Arm tropfte Blut. Panisch schaute ich, ob irgend etwas da war, mit dem ich mich verteidigen konnte. Nur Kirchenbänke. Nichts, was man in die Hand nehmen konnte. Michael faßte das Skalpell fester. Im selben Augenblick schlug etwas auf seinen Kopf ein. Er sank ohnmächtig zu Boden. Das Skalpell schlidderte über die Steinplatten in meine Richtung. Immer noch war ich wie gelähmt. Im nächsten Moment sah ich Benno. Er war es, der mir zur Hilfe gekommen war. Er war kalkbleich und starrte auf ein Eisenteil, das vor ihm lag. Es war der Schirmständer. Benno hatte dem Läufer den Schirmständer übergezogen.
    »Benno«, sagte ich. »Benno.«
    »Sie waren nicht im Zimmer«, stammelte der. »Deshalb habe ich Sie gesucht. Zum Glück hat Pfleger Stefan Sie hier in der Nähe gesehen. Sonst wäre ich nie darauf gekommen, daß Sie hier in der Kapelle sind.« Dann fiel er mir in die Arme. Ich war froh, daß ich jemanden festhalten konnte.
    »Was ist denn hier los?« Marlene Oberste hatte ein reizendes Stimmchen aufgelegt. Sie hetzte hinter Max in die Kapelle hinein. Die Hauptkommissarin schenkte Benno und mir nur einen kurzen Blick, beugte sich zu Michael hinunter und fühlte seinen Hals.
    »Wir brauchen einen Arzt«, kommandierte sie.
    Benno rannte los.
    »Daß Sie aber auch
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