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Totgeglaubt

Totgeglaubt

Titel: Totgeglaubt
Autoren: Brenda Novak
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1. KAPITEL
    S ie hatten ihn nicht vorsätzlich getötet. Eigentlich müsste das als mildernder Umstand berücksichtigt werden. Das würde es vielleicht auch – an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit. Aber nicht hier; das hier war schließlich Stillwater, Mississippi. Und das Einzige, was noch kleiner war als die Stadt selbst, war das Gemüt ihrer Einwohner. Sie vergaßen nichts und verziehen nie. Neunzehn Jahre waren nun schon vergangen, seit Reverend Barker verschwunden war. Und doch war mancher hier nach wie vor versessen darauf, jemanden für den Verlust des beliebten Predigers büßen zu sehen.
    Clay Montgomery hatte man von Anfang an im Visier gehabt.
    Er hatte lediglich das Glück, dass die Polizei ihm ohne Leiche nichts beweisen konnte. Trotzdem hatten bestimmte Leute sich dadurch nicht abhalten lassen, ständig um seine Farm herumzuschleichen. Sie warfen lautstark Fragen auf, spielten alle mögliche Szenarien durch und fügten Puzzleteile zusammen. All das, um endlich Stillwaters größtes Geheimnis zu lüften.
    “Glaubst du, dass er irgendwann wiederkommt? Dein Stiefvater, meine ich.” Beth Ann Cole stopfte sich ein Kissen in den Rücken und verschränkte einen Arm hinter ihrem Kopf.
    Wunderschöne Augen blickten ihn unter dichten goldfarbenen Wimpern an, und trotzdem wurde Clay wütend. Beth Ann bedrängte ihn fast nie wegen seines vermissten Stiefvaters. Aber sie wusste schließlich auch, dass er sie dann umgehend vor die Tür setzen würde. Doch scheinbar hatte er sie in letzter Zeit zu oft zu sich herüberkommen lassen, und jetzt überschätzte sie ihre Bedeutung für ihn offensichtlich ein wenig.
    Ohne zu antworten, schlug er die Decke zurück und machte Anstalten, aus dem Bett zu steigen. Sie hielt ihn mit einem Arm zurück. “Wie? Das war’s? Sonst bist du doch auch nicht so egoistisch.”
    “Vor einer Minute hast du dich noch nicht beschwert”, knurrte Clay und blickte vielsagend über seine Schulter. Sein Rücken war total zerkratzt.
    Beth Ann zog einen Schmollmund. “Ich will aber mehr.”
    “Du willst immer mehr, von allem. Mehr als ich zu geben bereit bin.” Er blickte auf die zarten weißen Finger, die seinen sehr viel dunkleren Unterarm umklammerten. Normalerweise hätte sie seinen warnenden Blick rechtzeitig erkannt und ihn aufstehen lassen. Heute Abend jedoch verfiel sie geradewegs in ihren Wie-kannst-du-mich-nur-so-ausnutzen-Modus. Das tat sie jedes Mal, wenn ihre Ungeduld über ihren Verstand siegte.
    Und ausgerechnet heute ging Clay genau das mehr als sonst auf die Nerven. Wahrscheinlich, weil er gerade schlechte Nachrichten bekommen hatte. Allie McCormick, die Tochter des Polizeichefs und selbst ein Cop, war nach Stillwater zurückgekehrt. Sie war eine von der Sorte, die Fragen stellte.
    Er verkniff sich einen Fluch und massierte sich die Schläfen, um seine aufziehenden Kopfschmerzen möglichst im Anfangsstadium zu vertreiben. Doch der pochende Schmerz nahm eher noch zu, als Beth Anns Stimme wieder an sein Ohr drang. “Werden wir jemals über eine rein körperliche Beziehung hinauskommen, Clay? Oder ist Sex das Einzige, was du von mir willst?”
    Beth Ann hatte einen atemberaubenden Körper, den sie durchaus einzusetzen wusste, um zu bekommen, was sie wollte – und jetzt wollte sie
ihn
, das war ihm klar. Sie versuchte oft, ihn dazu zu bewegen, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Aber er liebte sie nicht, was sie tief in ihrem Herzen wohl wusste, sich aber nicht eingestehen wollte. Clay ergriff selten die Initiative. Er machte ihr keinerlei Versprechungen. Und wenn sie tatsächlich mal zusammen ausgingen, lud er sie zwar ein, aber aus purer Höflichkeit statt aus unsterblicher Hingabe.
    Clay erinnerte sich an das erste Mal, als Beth Ann vor seiner Tür gestanden hatte. Seit sie vor fast zwei Jahren nach Stillwater gezogen war, hatte sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit ihm geflirtet. Und als er ihr nicht sofort zu Füßen fiel wie alle anderen männlichen Singles, betrachtete sie ihn als besondere Herausforderung, als harte Nuss, die es zu knacken galt. Eines Abends, wenige Stunden nach einer kurzen Begegnung im Supermarkt – sie arbeitete an der Theke des Backshops –, stand sie plötzlich vor seiner Tür, bekleidet mit einem Trenchcoat. Mit nichts als einem Trenchcoat.
    Sie wusste, dass er sie diesmal nicht ignorieren konnte. Und das tat er auch nicht. Offenbar gefiel es ihr, ihn als Sexbesessenen zu sehen und sich selbst als großmütige Erfüllerin seiner
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