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Krank für zwei

Krank für zwei

Titel: Krank für zwei
Autoren: Kathrin Heinrichs
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überwältigendes Gefühl. Ich war verantwortlich für dieses kleine Bündel. Tag und Nacht und immer und ewig.
    Ich mußte an die beiden Geschwister denken, die einander verloren hatten, an die Eltern, die sicher ein Leben lang um ihre Tochter getrauert hatten. Mir wurde bewußt, wie schnell eine Biographie durch einen Schicksalsschlag aus der Bahn geraten konnte. Am liebsten hätte ich meine Tochter aufgehoben und fest an mich gedrückt. Ich wollte sie beschützen, ein Leben lang, und doch war meine Macht so klein und das Leben so groß.
    Unwillig rieb ich die Tränen aus meinem Gesicht. Verflixt, dieses kleine Wesen hatte es innerhalb einer Stunde geschafft, einen hoffnungslosen Melancholiker aus mir zu machen. Vorsichtig erhob ich mich und ging nach draußen. Dies war der Moment, in dem man die Verwandtschaft anrief und alle mit der guten Nachricht überraschte. Als ich die Zimmertür hinter mir schloß, hörte ich plötzlich eine Stimme. Eine? Nein, mehrere. Max war da und Benno, beide im Gespräch mit Dr. Wolkov. Und Schwester Gertrudis war da. Wußte der Himmel, welche Glocken sie hatte läuten hören. Sie alle standen auf dem Flur. Das konnte kein Zufall sein.
    »Vincent«, sagte Max plötzlich. Alle schauten mich an. »Und?«
    »Ein Mädchen!« rief ich. »Stellt euch vor. Es ist ein Mädchen!«
    Schwester Gertrudis fiel mir als erste um den Hals. Machte sie sich Hoffnung auf klösterlichen Nachwuchs? Nein, ich glaube, sie freute sich nur.
    »Ich faß’ es nicht.« Max schaute mich durchdringend an. »Vincent ist Vater.«
    »Ja«, sagte ich, »Vincent ist Vater. Gott sei Dank.«
    »Nur eins noch«, Schwester Gertrudis blickte mich nachdenklich an. »Ein Kind, das einen Rheinländer als Vater hat, aber im Sauerland geboren wird, was ist das eigentlich? Ein saurer Rheinländer?«
    »Blödsinn«, rief ich. Ja, ich schrie es beinahe. »Das ist ein RHeiner Sauerländer. Geschrieben mit H, das sind die allerbesten.«
    Und dann lachte ich und weinte und dachte an Alexas Augen und an die Nase unserer Tochter und daran, daß jetzt alles anders sein würde.
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