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Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Titel: Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau
Autoren: Petros Markaris
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eigentlich sicher, dass keine solche Person der Reisegruppe angehört. Die Mouratoglou antwortet schließlich für uns alle: »Es tut mir leid, aber ich kann mich nicht an eine solche Mitreisende erinnern. Zu mir würde zwar das Alter, nicht jedoch das Erscheinungsbild passen«, fügt sie als kleinen Scherz hinzu. Enttäuscht kehrt der Unbekannte an seinen Tisch zurück, nachdem er sich bedankt und nochmals für die Störung entschuldigt hat.
      Als wir wieder nach »Pera« kommen - wie die Mouratoglou den Stadtteil nennt -, ist es fast Mitternacht, doch der Verkehr ist noch genauso lebhaft wie um acht, als wir aufgebrochen sind. Die Leute besuchen nach wie vor die Geschäfte, die immer noch aufhaben, und zwar nicht nur die Schnellrestaurants, sondern auch die Buchhandlungen, die Musik- und die Klamottenläden.
      »Nein, was für ein gewaltiges Menschenmeer!«, ruft Adriani aus und fügt eine ihrer historischen Sentenzen hinzu, auf die sie in solchen Fällen gerne zurückgreift: »Der Zug der Zehntausend!«
      So ein Menschengewühl wie auf der Pera-Straße kurz nach Mitternacht trifft man in Athen weder auf der Panepistimiou-Straße noch auf dem Omonia-Platz zur Stoßzeit an. Die Menschenmenge in der Fußgängerzone ist so dicht, dass die Sichtweite der Spaziergänger gerade mal auf den Rücken des Vordermannes beschränkt bleibt. Aus den Seitenstraßen strömen pro Minute mindestens zehn Menschen in die Fußgängerzone und bilden den Nachschub für die Cafes und Bars.
      »War das immer schon so?«, fragt Adriani die Mouratoglou, die mit einem Lächeln antwortet: »Als wir die Stadt verlassen haben, hatte Istanbul gerade mal eine Million Einwohner, Frau Charitou. Nun sind es offiziell vierzehn, inoffiziell sechzehn und unter der Hand siebzehn Millionen. Aber hier pulsierte immer schon das Herz der Stadt, damals wie heute.«
      »Sind Sie oft hierhergekommen?«, fragt Adriani weiter.
      »Wir haben in Feriköy gewohnt, auf der anderen Seite des Taksim-Platzes, in der Nähe von Kurtulus. Doch zum Einkaufen sind wir immer nach Pera gekommen.« Sie blickt sich kurz um und meint dann mit einem Anflug von Bitterkeit: »Doch der alte Glanz ist leider Gottes dahin, denn mittlerweile hat, genau wie in Athen, jede Wohngegend ihre eigenen Einkaufsstraßen.«
      Jeder zweite Laden links und rechts der Straße ist ein Speiselokal. Nicht dass wir in Athen da zurückstünden, aber hier findet man keine Fastfood-Ketten oder Souflaki-buden, sondern es sind ausschließlich Selbstbedienungsrestaurants, wobei hinter den in den Vitrinen ausgestellten Speisen Bedienstete mit strahlend weißen Schürzen und Kochmützen auf Kundschaft warten.
      Ich sehe, wie Adriani auf die Vitrine eines Speiselokals zugeht. Anfänglich denke ich, sie möchte sich einen kleinen Nachschlag holen, da ihr vorhin im Lokal der ohnehin schon schwache Appetit bei meinem ständigen Liebäugeln mit dem Handy zur Gänze vergangen war. Sie bleibt knapp vor der Vitrine stehen und inspiziert das Essen. Sie schwelgt im Anblick der in Öl geschmorten Speisen, in der Vielfalt der Hackfleischbällchen, der Pilaws und Fleischsorten, blickt zu den Gyrosspießen im Hintergrund und kann die Augen gar nicht mehr abwenden.
      »Sie kochen wohl gerne, Frau Charitou?«, fragt die Mouratoglou.
      »Woran haben Sie das gemerkt?«
      »An Ihrem fachmännischen Blick.« Sie hält kurz inne und fügt dann zögernd hinzu: »In dem ein bisschen Neid aufscheint.«
      Die Mouratoglou sagt es freundlich und ohne Hintergedanken, doch ich bereite mich schon darauf vor einzuschreiten, falls Adriani es in die falsche Kehle bekommt, damit wir uns nicht mit dem einzigen Menschen überwerfen, mit dem wir uns auf der Reise angefreundet haben. Doch ich habe Adriani wieder mal falsch eingeschätzt, denn sie erwidert lächelnd: »Alle guten Köchinnen sind neidisch, Frau Mouratoglou, und ich finde es schön, dass man das reiche Speisenangebot erst einmal ausgiebig begutachten kann.«
      Wir gehen die Pera-Straße weiter hoch in Richtung Taksim-Platz, wobei wir uns immer wieder den Weg durch die dichte Menge bahnen müssen.
      »Ihre Kollegen, Herr Kommissar«, flüstert mir die Mouratoglou zu und deutet auf die Straße zu meiner Linken.
      Dort steht mindestens eine Einheit behelmter, mit Schutzschilden und Schlagstöcken ausgerüsteter Polizisten, welche die ganze Straße abgesperrt haben und beim kleinsten Anlass bereit zum Eingreifen sind. Ich male mir aus, was wir,
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