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Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau

Titel: Kostas Charitos 06 - Die Kinderfrau
Autoren: Petros Markaris
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der Minister und die gesamte Regierung in Griechenland zu hören kriegten, wenn wir jeden Abend eine Einheit der Sondereinsatztruppe auf der Santarosa- oder der Charilaou-Trikoupi-Straße stationierten. Wohl die ganze Bandbreite vom zärtlichen »Bullen« über das verächtliche »Faschisten« bis zum gejohlten »Polizeistaat«.
      »Sind die jeden Abend hier, oder gibt es heute einen besonderen Anlass?«, frage ich die Mouratoglou.
      »Ich bin zwar nicht jeden Abend hier, wie Sie wissen, aber ich sehe sie jedes Mal, wenn ich hier vorbeikomme.«
      Auf dem Taksim-Platz verläuft sich das Gedränge, genauso wie auf dem Syntagma-Platz in Athen. Und wir überqueren den Platz und biegen links ein zu unserer Bleibe, dem Hotel Eresin.
      Die Reihenfolge, wer wann ins Badezimmer geht, hat sich zwischen Adriani und mir schon im ersten Monat nach unserer Hochzeit eingependelt. Ich gehe zuerst, weil es bei mir schneller geht, und dann folgt Adriani und kann sich alle Zeit der Welt lassen. Wir sind so aufeinander eingespielt, dass sie errät, wann ich fertig bin und ihrerseits schon parat steht.
      So auch heute Abend, nur dass sie vor dem Eintreten ins Badezimmer an der Tür innehält und mich anblickt. »Das Verhalten unseres Töchterchens liegt dir wieder auf dem Magen«, sagt sie.
      »Stimmt. Dir etwa nicht?«
      Sie scheint nachzudenken und antwortet nicht sofort. »Ihre trotzige Haltung geht mir an die Nieren«, meint sie dann.
      »Trotzige Haltung?«
      »Komm schon, jetzt stell dich nicht dümmer, als du bist. Diese Halsstarrigkeit, dass sie lieber unseren Seelenfrieden - samt dem von Fanis und seinen Eltern - aufs Spiel setzt, als einmal darauf zu verzichten, ihren Kopf durchzusetzen. Völlig abgesehen davon, dass sie auf mich überhaupt keine Rücksicht nimmt. Auf dich übrigens auch nicht, wo du doch ihr großer Liebling bist. Und jetzt setzt sie dieses verbohrte Verhalten fort, indem sie nicht einmal anruft. Eines sage ich dir. Wenn die Eltern so einen Dickkopf nicht aushalten, wie dann Fanis? Da darf man sich nicht wundern, wenn in ein paar Jahren die Scheidung ins Haus steht. Und man muss hoffen, dass sie dann noch kein Kind haben, weil so ist es ja Mode geworden: Zuerst setzt man ein Kind in die Welt, dann trennt man sich, und dann halst man es der Großmutter auf, die es aufziehen soll.«
      »Rede doch das Unglück nicht herbei!«, rufe ich außer mir. »Sie hat doch gerade erst geheiratet!«
      »So, wie sie geheiratet hat, zählt es sowieso nicht, aber um die Scheidung kommt man trotzdem nicht herum.« Wenn Adriani so richtig wütend ist, findet sie, sowie man den Mund aufmacht, stets ein schlagendes Gegenargument.
      »Wir könnten ja anrufen und das Schweigen brechen.«
      »Wie soll ich denn mit Katerina reden, wenn ich insgeheim Fanis' Eltern recht gebe und genauso enttäuscht bin von ihr wie sie?«
      »Ich könnte ja mit ihr sprechen.« Doch sogleich bereue ich meinen Vorstoß, denn ich weiß, was nun folgt.
      »Na klar, du und dein Töchterchen«, schreit sie. »Immer macht ihr alles untereinander klar, und ich bin außen vor. Und wenn ich manchmal wage, ein wenig Druck auf sie auszuüben, um ihr ein paar nützliche Dinge beizubringen, stellst du dich gleich schützend vor sie. Einmal war es die Schule, dann das Studium, dann wieder das Doktorat. Egal, ob sie nun Hausfrau, Rechtsanwältin oder Ministerin wird - hättest du mich nur gelassen, ihr ein paar grundlegende Dinge ans Herz zu legen, wäre es nicht so weit gekommen. Denn ich bin es, die jetzt alles ausbaden muss. Doch du hast es ja so gewollt.«
      Wir haben ganz vergessen, wo wir uns befinden, und schreien uns an, als wären wir in unseren eigenen vier Wänden, als nebenan ein Hotelgast an die Wand hämmert, damit wir den Mund halten. Jäh verstummen wir und blicken uns erschrocken an. Adriani schlüpft eilig ins Bad, als wolle sie sich vor den unsichtbaren tadelnden Blicken verstecken. Und ich lege mich aufs Bett, drehe mich zur Seite und hefte den Blick auf das Fenster gegenüber. Schon allein diese Körperhaltung lässt eine weitere schlaflose Nacht erwarten.
     
     

* 4
     
    In der Kirche enden die Vigilien immer mit der Frühmesse, während unsere Nachtwache in einem Schweigegelübde gipfelt. Am Morgen stehen wir wortlos auf, kleiden uns stumm an, dann geht Adriani hinunter zum Frühstück, immer noch schweigsam. Ich überlege, mir einen Kaffee aufs Zimmer zu bestellen, um sowohl ihrer finsteren Miene
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