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Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone

Titel: Kosmonensaga 1: Ambivalente Zone
Autoren: Mark Brandis
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mich bemerkte - und damit wich die Sanftheit aus dem Stahl. Da war nur noch die blitzschnelle Geschmeidigkeit, mit der seine rechte Hand urplötzlich eine stumpfnasige Waffe entblößte. Die andere Hand stieß Ruth von sich. Ich sah noch, wie Ruths Knie weich wurden, dann beherrschte die pulsierende Mündung der fremdartigen Waffe mein Blickfeld. Sie zielte direkt auf meine Brust.
    Ich setzte an zum Sprung und wußte doch, daß der Kampf bereits entschieden war. Ich war zu langsam. In diesem Duell auf Leben und Tod, in das ich so urplötzlich verwickelt war, stand der Sieger schon fest. Ich sah, wie die Lippen des Malusiten schmal wurden, als er mit der Waffe Maß nahm.
    „Nein! Raffael, nein!"
    Eine kehlige Stimme. Tamara hatte mich eingeholt und war neben mir.
    Ihre Schulter prallte gegen meine und warf mich aus der Bahn.
    Und der Kerl im roten Overall drückte ab.
    Was danach geschah, erlebte ich gleichsam doppelt: Einmal erlebte ich es direkt, unmittelbar und hautnah, und zum anderen erlebte ich es mit der kalten, unpersönlichen Nüchternheit eines außenstehenden Beobachters.
    Die Wahrnehmungen waren gleichsam erstarrt. Nur unendlich langsam lösten sie sich auf und zerfielen in einzelne Bilder.
    Da war die Waffe - und da war auch das prasselnde Geräusch, mit dem sie sich entlud.
    Und dann war da der Schock, als sich die Erkenntnis einstellte, daß ich nicht tot war.
    Daran schloß sich die Frage an, weshalb sich mein rechtes Bein nicht bewegen ließ.
    Ich versuchte es nochmal, und dann noch einmal, unter Aufbietung aller Kräfte wieder und immer wieder. Nichts half. Das Bein ließ sich nicht bewegen. Das Bein klebte am falschen Marmor fest.
    Und dann hörte ich es: Das Bein seufzte.
    Mein Blick wanderte abwärts.
    Tamara war gestürzt. An meinem Bein hielt sie sich fest, als sie nun versuchte, sich wieder aufzurichten.
    Dies war der Augenblick, in dem der Malusit , den Tamara soeben Raffael genannt hatte, mich hätte abschießen können wie eine Ente auf dem Teich. In meiner Unbeweglichkeit war ich ihm schutzlos ausgeliefert. Aber er nutzte die Situation nicht aus.
    Schlagartig begriff ich, weshalb er das nicht tat. Mit bleich gewordenem Gesicht hatte er die mörderische Waffe sinken lassen. In seinen weit aufgerissenen Augen stand fassungsloses Entsetzen, als er stammelte:
    „Tamara, das habe ich nicht gewollt! Dir ist doch nichts geschehen?"
    Tamara hörte auf, sich an mein Bein zu klammern, und ihr Oberkörper kippte auf den falschen Marmor.
    Raffaels Lippen bebten.
    „Tamara, du wirst doch für mich aussagen: Es war ein Unfall. Ich habe es nicht gewollt. Dir wird Seine Schlechtigkeit glauben. Tamara, bitte... "
    Tamaras Antwort bestand aus einem klagenden Laut. Mit kalkweißem Gesicht lag sie ausgestreckt in einer Blutlache, die sich rasch nach allen Seiten hin ausbreitete. Mein Blick suchte die Wunde und fand sie nicht. Das Blut rann aus den Poren.
    „Du wirst doch für mich aussagen? Du mußt , Tamara! Oder ich bin verloren."
    Mein Bein war frei. Ich spannte die Muskeln und schnellte vorwärts.
    Ich sprang ins Leere. Raffael war nicht mehr auf seinem Platz. Er hatte sich herumgeworfen und befand sich auf der Flucht ins Freie. Bevor ich ihm nachsetzen konnte, hielt mich Tamaras Stimme zurück.
    „ Laß ihn! Er kommt nicht weit. Hör doch!"
    Nun erst wurde mir die Bedeutung dessen klar, was mein Unterbewußtsein längst wahrgenommen hatte, dieses Geräusch, das so unverkennbar war. In der Luft lag, laut und mißtönend , ein Schwirren wie von einer verstimmten Violinsaite. Mein Blick richtete sich auf das Oberlicht. Über dem Gelände schwebte ein mir wohlbekannter riesiger roter Raumkreuzer.
    Mein Blick wanderte zurück zu Tamara und erhaschte die schwache Handbewegung, mit der sich mich zu sich herabwinkte.
    „Mark -"
    Ich kniete mich neben sie, und ihr Arm schlang sich um meinen Nacken, als müßte sie verhindern, noch weiter und noch tiefer abzustürzen.
    „ Überlaß es meinem Bruder, mit ihm abzurechnen. Bitte..."
    Ich nickte stumm. Sprechen konnte ich nicht.
    Ihre Lippen bewegten sich wieder.
    „Ich muß dir etwas sagen, Mark. Es ist wichtig. Du weißt jetzt, wer ich bin. Aber... Hör zu, Mark, hör zu! Es stimmt: Anfangs warst du nur ein Auftrag für mich, der nützliche Idiot, der meinem Bruder der Weg zur Erde weisen sollte. Ich habe dich benutzt..."
    Sie brach ab und atmete schwer. Noch einmal sammelte sie Kraft.
    „Aber dann ist es anders gekommen. Ich habe getan, was ich nicht tun
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