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Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9
Autoren: H. J. Alpers
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an.
    „Was willst du?“ fragte Tommy schließlich.
    „Wir sind gekommen, um uns zu verabschieden“, antwortete der Thant. „Bald kommt der Augenblick, da man euch alle ausmachen wird. Die …“ – flap – „… erste Phase des Projekts hat heute morgen begonnen, und die zweite Phase begann vor kurzem. Es dürfte nicht mehr allzu lange dauern, Mensch, nicht mehr als ein paar Tage.“
    „Wird es weh tun?“ wollte Tommy wissen.
    „Das glauben wir nicht, Mensch. Wir …“ – er blätterte durch Tommys Hirn, bis er eine Stelle fand, an der Mr. Brogan, der Physiklehrer, zu einem Kollegen im Gang „Entropie“ sagte, als Tommy vorüberkam – „… erhöhen die Entropie. Sie ist es, die alles auseinanderfallen läßt, die …“ – flap – „… einen Eiswürfel zum Schmelzen bringt, die …“ – flap – „… ein kaltes Glas Wasser nach einer Weile warm werden läßt. Wir erhöhen die Entropie. Unser beider …“ – flap – „… Rassen leben hier, aber eure benutzt dies hier, das Physische, mehr als unsere. Deshalb werden wir die Entropie nicht sehr stark erhöhen müssen …“ – flap – „… sondern nur wenig und nur für kurze Zeit. Ihr seid …“ – flap – „… empfindlicher dagegen als wir. Es wird nicht lange dauern, Mensch.“
    Tommy hatte das Gefühl, daß die Welt kippte und unter seinen Füßen zerbröckelte. „Ich habe euch Jungs vertraut“, sagte er mit einer Stimme, die so spröde war wie Asche. „Ich dachte, ihr wäret in Ordnung.“ Die letzte Stütze war unter ihm weggeschlagen worden – sein ganzes Leben lang hatte er, wenngleich er es nicht einmal sich selbst gegenüber zugegeben hätte, die Phantasie genährt, daß er in Wirklichkeit einer der Anderen Leute sei und daß sie ihn eines Tages holen und in ihre eigene Welt einführen würden, und er würde sein Erbe und seine Erfüllung finden. Jetzt hatte er die bittere Erkenntnis gewonnen, daß es nicht so war. Und jetzt würde er nicht mehr zu ihnen gehen wollen, selbst wenn er es könnte.
    „Wenn es eine Möglichkeit gäbe“, sagte der Thant, Tommys Gedanken wiederholend, „dich zu retten, Mensch, dich …“ – flap – „… zu verschonen, würden wir es tun. Aber es gibt keine Möglichkeit. Du bist ein Mensch. Du bist nicht wie wir, du bist ganz anders als wir.“
    „Darauf kannst du wetten“, keuchte Tommy wild. „Du …“ Aber er kannte kein Wort, das stark genug gewesen wäre. Tränen stiegen ihm plötzlich in die Augen, so daß er nichts mehr sehen konnte. Voller Wut, Haß und Grauen wandte er sich um und rannte stolpernd die Böschung hinauf, er fiel hin und kletterte weiter.
    „Es tut uns leid, Mensch“, rief der Thant ihm nach, doch Tommy hörte nicht.
    Als er oben ankam, hatte er hysterisch zu schreien begonnen. Irgendwie mußte er sie warnen, zu irgend jemandem mußte er durchdringen. Jemand mußte etwas tun. Weinend rannte er über den Schulhof und schrie etwas von Aliens und Thants und Entropie, er stieß seine Klassenkameraden und versuchte sie ins Haus zu drängen, damit sie sich versteckten, er schlug nach den Lehrern und duckte sich, wenn sie versuchten, ihn festzuhalten, er beschwor sie, etwas zu tun, bis er irgendwann nicht mehr schrie, sondern kreischte, und die Lehrer kamen auf ihn zu, in einer Reihe nebeneinander, mit ernsten Gesichtern, die Arme ausgestreckt, um ihn zu fangen.
    Da sprang er zurück und rannte.
    Als sie sich wieder gefaßt hatten, verfolgten sie ihn mit dem schwarzen Wagen. Sie erreichten ihn etwa eine Meile weiter auf der Highland Avenue. Er rannte verzweifelt die Straße entlang, ohne sich umzusehen, ohne überhaupt irgend etwas zu sehen. Der gewandte Absenz-Beamte sprang aus dem Wagen und holte ihn ein.
    Und sie packten ihn wieder in die Limousine. Und sie brachten ihn fort.
     
    Im Morgengrauen des dritten Tages begannen die Aliens, eine Maschine zu bauen.
     
    Dr. Kruger lauschte der blechernen, leblosen Stimme von Miß Fredricks, bis sie kratzend verstummte, und legte dann den Hörer auf. Er schüttelte den Kopf, massierte sich den Bauch und seufzte schwer. Dann zog er ein Notizformular heraus und schrieb: Man. Depr. Psych./hyperaktiv, Thomas Nolan, Ther. 150 cc Ritmose 1x tgl., mit grüner Tinte. Für einen Moment bewunderte Kruger seine präzise, eckige Handschrift und setzte dann schwungvoll seinen Namen darunter. Er seufzte noch einmal und legte das Formular in den Korb mit der Aufschrift Ausgang.
    Tommy war am nächsten Tag in der Schule sehr ruhig.
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