Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
Schritte von ihm entfernt schniefte. Warum bist du so schwach? fragte er sie tonlos, aber sie antwortete nicht. Sie ging zurück ins Wohnzimmer und weinte wie ein Wasserfall. Er erhaschte einen Blick auf ihr Gesicht, als sie sich umwandte – es war bleich und müde. Erwachsene sahen immer müde aus. Sie waren auch immer müde. Und Tommy war müde, beinahe zu müde zum Aufstehen. Langsam und bleiern ging er zur Hintertür und verließ das Haus.
    Lange Zeit wanderte er ziellos in der Nachbarschaft umher, umrundete die Blocks nebenan und kam immer wieder an seiner Ecke vorbei. Es war eine Mittelklasse-Gegend, die allmählich verkam – zur einen Seite grenzte sie an eine schäbige Veteranensiedlung, zur anderen an die Slums, und der Verfall drang langsam herein wie eine ansteckende Krankheit. Sogar die Häuser sehen müde aus, dachte Tommy, und er bemerkte es zum ersten Mal. Alles sah müde aus. Er versuchte zu spielen, sich in etwas zu verwandeln, in ein Auto oder ein Raumschiff oder einen Panzer, aber er fand, daß er es nicht mehr konnte und so lief er einfach herum. Er dachte an seinen Drachen. Er wußte jetzt, warum Steve gemeint hatte, der Drachen könne nicht entkommen. Er lebte in der See, und deswegen konnte er nicht auf das Land hinauffliehen – das war unmöglich. Er mußte in der See bleiben, er konnte nicht heraus, er war an die See gefesselt, selbst wenn das seinen Tod bedeutete. Es gab keine andere Möglichkeit. Steve hatte recht – die Marine hatte den Drachen im seichten Wasser vor der Küste in die Enge getrieben und in Stücke geschossen.
    Eine Hand schloß sich hart um sein Handgelenk. Er sah hoch. Es war sein Vater.
    „Du kleiner Schwachsinniger“, sagte sein Vater.
    Tommy duckte sich zusammen und erwartete, geschlagen zu werden, aber sein Vater zerrte ihn über die Straße auf das Haus zu. Und dann sah Tommy, weshalb: Ein großer, schwarzer Wagen parkte vor der Haustür, und daneben standen zwei Männer, die zu ihnen herüberstarrten. Der Absenz-Beamte und noch ein Mann von der Schulbehörde. Die Hand seines Vaters umklammerte sein Handgelenk wie ein Schraubstock. „Sie haben mich im Büro angerufen“, sagte sein Vater wütend. „Dir ist hoffentlich klar, daß ich deinetwegen einen ganzen Nachmittag verliere. Gott weiß, was die Leute in der Firma dazu sagen werden. Glaube nicht, daß du mir davonkommst – du wirst etwas erleben, wenn wir erst allein sind. Du wirst dir wünschen, du wärest nie geboren worden. Ich wünsche es mir. Und jetzt halt die Klappe, und mach uns nicht noch mehr Schwierigkeiten.“ Sein Vater übergab ihn dem Absenz-Beamten. Tommy spürte die Hand des Beamten auf seiner Schulter; der Griff war längst nicht so hart wie der seines Vaters, aber nicht weniger unentrinnbar. Tommys Mutter stand oben in der Haustür. Sie drückte ein Taschentuch an ihre Nase und sah verängstigt und hilflos aus – schon jetzt vermittelte sie einen Eindruck von Ferne, als wäre sie eine Million Meilen weit weg. Tommy ignorierte sie. Er hörte auch nicht auf den Wortwechsel zwischen seinem Vater und dem streng blickenden Absenz-Beamten. Das finstere, gutaussehende Gesicht seines Vaters war erhitzt und gerötet. „Mir ist egal, was Sie mit ihm machen“, sagte er schließlich. „Schaffen Sie ihn bloß hier weg.“
    So packten sie Tommy in den schwarzen Wagen und fuhren davon.
     
    AI sprach die ganze Nacht über mit den Aliens. Einen großen Teil dessen, was gesagt wurde, gab sie nicht an USADCOM weiter, aber schließlich sah sie ein, daß sie ihnen irgend etwas würde erzählen müssen. Deshalb übermittelte AI um drei Uhr früh eine Liste an USADCOM , die die Aliens diktiert hatten, eine Liste der dominanten Spezies der Erde, derjenigen Rassen, mit denen sie in Kontakt standen und die sie als die einzigen wichtigen Bewohner dieses Planeten betrachteten. Es war ein umfangreiches Dokument, voller Namen, die nichts bedeuteten, und es enthielt Dutzende von Obergruppen, Arten und Unterarten von Wesen, von denen noch niemand je gehört hatte. Die USADCOM-Leute gingen in ratloser Entrüstung die Wände hoch, und sie fragten sich, ob ein Computer verrückt werden konnte oder ob die Aliens womöglich von einem ganz anderen Planeten sprachen.
    AI kümmerte sich wenig um das Mißvergnügen der Menschen. Sie war völlig hingerissen von den Aliens, nicht anders als ihre Partner-Intelligenzen, die über die telepathische Verbindung mithörten. Die Intelligenzen hatten schon seit langem vermutet, daß
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher