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Kopernikus 9

Kopernikus 9

Titel: Kopernikus 9
Autoren: H. J. Alpers
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für ein Wesen, das so schnell zu denken vermochte wie sie. Als AI wieder sprach, richteten sich ihre ersten Worte an die anderen, mit ihr verbundenen Intelligenzen und diese Worte ließen sich mehr oder minder adäquat so übersetzen: „Was sagt ihr dazu?“
     
    Miß Fredricks erwartete Tommy im Eingang, als die schwarze Limousine ihn vor der Schule absetzte. Als er die Stufen heraufkam, lächelte sie ihn an, freundlich und mitfühlend, und das war so schrecklich, daß es die tiefe Lethargie durchdrang, die auf ihm lastete. Sie nahm ihn beim Ellbogen – er fühlte, wie sein Arm bei ihrer Berührung augenblicklich gefror, und die grauenvolle Kälte begann sich in immer größer werdenden Kreisen über seinen ganzen Körper zu verbreiten – und führte ihn hinunter zu Dr. Krugers Büro, sehr behutsam, als wäre er ein Ei mit gesprungener Schale und sie wollte nicht, daß er völlig zerbräche, ehe sie ihn bei der Bratpfanne hätte. Sie klopfte an und hielt ihm die Tür auf, und dann ging sie, ohne ein Wort gesagt zu haben, sie schwebte davon wie ein mörderisches Gespenst und lächelnd wie eine Nonne.
    Tommy trat ein und setzte sich hin, ebenfalls ohne ein Wort – er hatte nicht mehr gesprochen, seit sein Vater ihn gepackt hatte. Dr. Kruger brüllte ihn lange an. Heute schien es, als sei die Gefahr, daß sein Fett hervorbräche, noch größer als gestern. Vielleicht hatte es sich auch schon befreit und vollständig von ihm Besitz ergriffen, ihn mit seiner eigenen Masse erstickt, während er schlief oder einfach nur nicht auf der Hut war, und es war nichts als ein riesiger, halbbewußter Fettklumpen, der dort saß und so tat, als wäre er Dr. Kruger, verschlagen den Schein wahrend. Das Fett wogte und wellte und wabbelte unter Dr. Krugers Kleidern – ein sturmgepeitschter Ozean von Fett, dessen Wellen rastlos über die Ufer seiner Gestalt spülten, auf der Suche nach Schiffen, die sie versenken könnten. Tommy beobachtete eine Fettrolle, die sich träge über den Körper des Psychiaters wälzte, von einer Seite zur anderen, wie ein schmelzendes Stück Butter, das durch eine Pfanne glitt. Kruger sagte, es bestehe die Gefahr, daß Tommy in einen „psychotischen Schub“ verfalle. Tommy starrte ihn unverwandt an. Kruger fragte ihn, ob er das verstehe. Tommy, störrisch und ärgerlich, sagte, nein, er verstehe es nicht. Kruger warf ihm vor, er sei schwierig und unkooperativ, und machte wütend ein Zeichen auf einem Formular. Dann teilte er Tommy mit, daß er von nun an jeden Tag herunterkommen müsse, und Tommy nickte stumpf.
    Als Tommy nach oben kam, war die Klasse gerade in der Nachmittagspause. Zögernd trat er auf den Schulhof hinaus und ging allen aus dem Weg. Er wollte nicht, daß man ihn sah und mied; er wußte, daß er Ansteckung und Unbehagen mit sich herumtrug wie ein Leprakranker. Aber die Klasse war bereits von Unbehagen erfüllt, und er konnte sehen, weshalb. Die Anderen Leute schwebten im Kreis rings um den Schulhof und starrten gierig zu den Menschen herein. Es waren mehr verschiedene Arten, als Tommy je zuvor an einem Ort versammelt gesehen hatte. Er erkannte ein paar äußerst seltene, gefährliche Unterarten, von denen der Thant ihm erzählt hatte – da war einer, der alles wild durcheinanderwerfen und Wut und Verzweiflung verströmen würde, wenn er in ein Haus eindränge, und ein anderer, dessen Gesicht aussah wie ein Magen und der ein ganz besonderes Zeug aus einem heraussaugen würde, und wenn er damit fertig wäre, würde man in Flammen aufgehen und verbrennen, weil man dieses Zeug nicht mehr in sich hatte. Andere waren da, die er nicht erkannte, aber die gefährlich und feindselig aussahen. Sie alle wirkten erwartungsvoll. Ihr hungriger Druck war so stark, daß selbst die anderen Kinder ihn fühlen konnten – sie bewegten sich ruckhaft, und eine sonderbare Angst begann sich in ihren Augen zu zeigen, wenn sie gelegentliche Blicke über die Schulter warfen, ohne zu wissen, warum. Tommy ging auf die andere Seite des Schulhofes. Eine Grasböschung führte dort zu einem von Bäumen gesäumten Fußballplatz hinunter, und Tommys Blick wanderte ziellos darüber hin.
    Unvermittelt öffnete sich sein Mund und die Stimme des Thant sagte: „Komm herunter.“
    Zitternd kletterte Tommy hinunter zum Rand des Fußballplatzes. Dies war mit Sicherheit keine „Stelle“, aber der Thant war da, er stand unter den Bäumen und sah Tommy mit seinen seltsamen roten Augen an. Eine Weile schauten sie einander nur
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