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Komoedie des Alterns

Komoedie des Alterns

Titel: Komoedie des Alterns
Autoren: Michael Scharang
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jedenfalls, antwortete Sarani, das große Wort geführt, was er als angenehm empfand, denn dadurch sei David, der sich die Unart des Vaters, das Wort an sich zu reißen, zu eigen gemacht habe, kaum zu Wort gekommen.
    Ob sie, fragte Freudensprung weiter, fröhlich sei – oder versonnen – oder niedergeschlagen. Sie sei, sagte Zacharias, wenn Heinrich ihm gestatte, der Frage auszuweichen, eine herbe Schönheit; dunkle Mähne, hohe Stirn, Hakennase, darüber zur Tarnung melancholische Augen. Lena sei genau die Frau für Heinrich, sagte Sarani, aber auch für David.
    Freudensprung, den es noch schmerzte, Lena verloren zu haben, wehrte sich gegen das gelassene Urteil eines Unbeteiligten und warf Sarani vor, sich, und zwar nicht zum erstenmal in diesen Tagen, als Psychologe zu betätigen, was Sarani anfeuerte, seine Sicht der Dinge weiter auszubreiten. Heinrich und David, sagte er, seien weiche Männer, was man daran erkenne, daß sie fortwährend ein männliches Gehabe hervorkehrten, in Wirklichkeitaber bei starken Frauen Halt suchten. Er hingegen, ohne sich als männlichen Mann stilisieren zu wollen, bedürfe einer weiblichen Frau. Ob er sie in Sophie gefunden habe, wie er jahrzehntelang glaubte, sei angesichts des spöttischen, ja harten Tons, den sie neuerdings anschlage, fraglich.
    Freudensprung faßte sich an die Stirn und fragte Sarani, ob er auch noch über Rinderhaltung unter wüstenähnlichen Bedingungen zu referieren gedenke, in diesem Fall wolle Heinrich vorher wissen, ob Lena tatsächlich vorhabe zu heiraten. Nicht nur sie, sagte Sarani; die beiden seien aber nicht nach Ägypten gereist, um ihre Hochzeit anzukündigen, sondern – um Heinrich und ihm zu danken!
    Sarani genoß die Verwirrung, die er bei Freudensprung angerichtet hatte, ehe er fortfuhr: Der Dank, so habe Lena sich ausgedrückt, schließe, als wären Heinrich und Zacharias eine Person, beide ein. David und Lena, sagte Sarani, hätten von Karem erfahren, daß Heinrich im Wüstenhaus war, worauf David losgerannt sei zu einem Auto, um Heinrich zu holen. Karem, der im Atrium aus Gesprächsfetzen geschlossen habe, daß es sich bei Davids Lena um Heinrichs Lena handle, griff zu einer Notlüge und beteuerte, Heinrich sei nach Kairo gefahren, um eine Frau zu treffen, man wisse nicht, in welchem Hotel er wohne, auch nicht, wann er zurückkomme.
    Lena habe wirr drauflosgeredet, doch habe Zacharias in dieser erschütternd konfusen Rede bald eine unerschütterliche Logik erkannt. Die beiden, sagte Sarani, seien derart verliebt, daß sie es für ausgeschlossen hielten, zufällig aufeinander gestoßen zu sein. Lena habe eine lückenlose Kette von Ereignissen konstruiert, beginnend mitdem Silvestertag 2000 in Wien, endend im August 2001 in New York, aus der man nur den Schluß ziehen könne, daß Heinrich, immer in Absprache mit Zacharias, aber auch mit Loser, die Wege Davids umsichtig geleitet hatte: von Kairo nach Berlin, von dort nach Manhattan, wo für David von Losers Architekturbüro eine Wohnung ausgerechnet in der Thompson Street gemietet worden war, nicht weit von Heinrichs Wohnung; auf dem Weg ins Büro in der Mercer Street kam David unweigerlich am Café Bruno vorbei, das ihm, warum wohl, von Loser empfohlen worden war: der beste Kaffee, die beste Topfentorte. Warum wohl hatte Heinrich, als sie im August in New York waren, Lena das Café Bruno empfohlen? Unausweichlich, daß David und sie einander vor genau diesem Café begegneten.
    Sie wüßten, habe Lena gesagt, daß es nicht jedermanns Sache sei, das eigene Bedürfnis zurückzustellen, um dem Glück anderer nicht im Weg zu sein. Heinrich habe auf Lena verzichtet; Zacharias habe David ziehen lassen; Loser habe David, ohne ihm eine Wahl zu lassen, nach New York beordert.
    Oder aber, habe David dazwischengerufen, es könnte, wie ihm eben durch den Kopf gehe, so gewesen sein, daß Heinrich und Zacharias ohne Absicht das Richtige getan hätten. Zeitlebens hätten die beiden über Neuerungen nicht nur nachgedacht, sondern die Gedanken, soweit sie konnten, auch verwirklicht; das habe sie geprägt. Sie seien in der Sache, die sie betrieben, aufgegangen, hätten sich nicht als Verwalter oder Besitzer darüber gestellt, und ihre eigenen Bedürfnisse hätten ihnen nicht mehr gegolten als die anderer. Wahrscheinlich, sagte David, hätten die beiden Männer nicht mit Absicht etwasbewirkt, sondern in ihrer Großmut die Dinge und Menschen einfach treiben lassen, so daß Lena und er früher oder später
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