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Kommissar Morry - Terror um Mitternacht

Kommissar Morry - Terror um Mitternacht

Titel: Kommissar Morry - Terror um Mitternacht
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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sein. War es möglich, daß jemand die Tür geöffnet und wieder geschlossen hatte... unhörbar für ihn, da das Krachen des Donners jeden anderen Laut erstickte? Prüfend hob er die Nase, als wäre er ein Tier, das mit seinem Geruchssinn die Umgebung kontrollieren könnte.
    „Ist da jemand?“ fragte er laut.
    Niemand antwortete. Er überlegte trotzdem, ob er sein Feuerzeug hervorholen und anzünden sollte, als er plötzlich, ganz nahe bei seinem Bett, ein Flüstern hörte: „Ich bin's!"
    Er sprang auf. Einen Moment stand er wie unentschlossen neben dem Bett und wartete darauf, daß ein Blitz ihm die Besucherin zeige. Aber gerade jetzt wartete er vergebens. Grace ist gekommen, dachte er, und ein Triumphgefühl weitete seine Brust. Sie hat es nicht ausgehalten. Die Furcht vor dem Gewitter hat sie zu mir getrieben.
    „Komm zu mir“, sagte er schweratmend.
    Im nächsten Augenblick fühlte er einen jungen weiblichen Körper. Zwei Arme schlangen sich um seinen Hals und ein Lippenpaar kam dem seinen willig entgegen. Er umschloß sie so fest, daß sie stöhnte. Er hat mich erwartet, dachte sie erlöst, er hat gehofft, daß ich kommen würde. Dann, ganz plötzlich, erstarrte ihr Körper zu Eis. Ein Wort von seinem Mund ganz dicht an ihrem Ohr geflüstert, zerriß die selige Stimmung und ließ blankes Entsetzen zurück.
    „Grace!“ stammelte Spencer. „Oh, Grace!“
    Er fühlte, daß ihr Körper sich spannte, daß er auf einmal Widerstand zeigte und sich gegen ihn stemmte.
    „Grace... was ist?“ fragte er fassungslos.
    In diesem Moment erhellte ein Blitz das Zimmer und er sah, daß er Chloe Sanderson in seinen Armen hielt. Er ließ sie gehen, und sie taumelte zur Tür, schamrot und tödlich verletzt.
    „Bleiben Sie doch!“ rief er, um ihr das Mißverständnis zu erklären, um ihr ein paar nette, tröstende Worte zu sagen... aber sie hatte bereits die Tür geöffnet und ging nach draußen.
    Einen Moment lehnte sie sich gegen die Wand und wartete darauf, daß die erlösenden Tränen kamen, aber die brennenden Augen blieben trocken. Es geschieht mir recht, dachte sie. Ich habe den Kopf verloren. Sie erinnerte sich plötzlich an Roger, und jetzt konnte sie auch weinen. Verzeih mir, Roger, flüsterte sie. Verzeih!
    Inzwischen war Spencer an die Balkontür getreten. Er preßte die heiße Stirn gegen das Glas. Chloe Sanderson, dachte er. Armes Mädchen. Sie ist einsam. Kein Wunder, daß sie bei solch einem Wetter den Kopf verliert. Sie muß vor Scham in den Boden versunken sein.
    Plötzlich geschah etwas, das sein Blut in den Adern gerinnen ließ. Ein Schrei, so laut und furchtbar, so voll wilder Verzweiflung, daß er einem Urlaut glich, übertönte für eine Sekunde das Rauschen des Meeres und das Peitschen des Regens. Der Schrei kam von draußen, er mußte von einem Menschen ausgestoßen worden sein, der aus einem der Fenster, vielleicht von einem der Balkone, in die Tiefe stürzte... hinab in das kalte tödliche Dunkel, aus dem es keine Rückkehr gab. Unfall oder Absicht?
    Spencer riß die Balkontür auf und trat nach draußen. Der Regen überfiel ihn wie eine kalte Dusche. Er war im Nu durchnäßt.
    Während er die Balkonbrüstung mit den Händen umklammerte, schaute er hinab. Einige Blitze zeigten ihm die schwarzen, naßglänzenden Felsen, die aus der weißen, kochenden Gischt des Wassers wuchsen. Ihm schauderte. Er trat zurück ins Zimmer und merkte erst jetzt, daß er bis auf die Haut durchnäßt war. Er achtete nicht darauf und hastete auf den Flur. Dort stand eine korpulente Frau in einem knallroten Morgenrock. Sie hielt einen Leuchter in der Hand, der ihr kreidebleiches Gesicht erhellte.
    „Haben Sie das gehört?" fragte sie mit zitternder Stimme.
    „Ja... wer kann das gewesen sein?“
    „Ich weiß es nicht... es war furchtbar.“ Die Frau begann plötzlich zu schluchzen. „Ich fürchte mich.“
    Spencer überlegte kurz. „Wir müssen alle Mieter bitten, sich unten zu versammeln“, entschied er.
    „Das wird am besten sein“, meinte die Frau stammelnd. „Allein halte ich es nicht länger aus...“
    Spencer klopfte an die Tür des Obersten. Niemand meldete sich.
    „Sie müssen stärker klopfen“, sagte die Frau und kam näher. „Bei diesem Wetter wird er Sie nicht hören.“
    Spencer wuchtete mit beiden Fäusten gegen das Holz der Tür. Das Dröhnen erfüllte den ganzen Flur. Im Zimmer des Obersten blieb es still. Plötzlich tauchte Chloe auf. Sie war sehr, sehr blaß, hatte sich aber inzwischen
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