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Kommissar Morry - Der Judas von Sodom

Kommissar Morry - Der Judas von Sodom

Titel: Kommissar Morry - Der Judas von Sodom
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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unterrichten. Zehn Minuten später stand er wieder auf der Straße. Auch diesmal nahm er den Weg durch die berüchtigte Ufergasse. Er ging langsam. Immer wieder starrte er auf das eiserne Geländer, das den gurgelnden Fluß vom Sodom Wall trennte. Hier ist gestern Nacht ein Mörder gegangen, dachte er. Ich habe das im Gefühl. Ich muß Liz Etty recht geben. Ein junges Mädchen, das glücklich verliebt ist, beendet sein Leben nicht auf solch schreckliche Weise. Nachdenklich wanderte der Kommissar am Mulatten Klub vorüber. Grimmig musterte er die verkommene Hinterfront. Zerstreut horchte er auf die fremdländischen Songs, die aus der offenen Hintertür klangen.
    Das ist auch so ein Stall, der einmal ausgemistet werden muß, dachte er gereizt. In diesem dreckigen Haus verkehrt alles mögliche Gesindel. Diebe und Hehler, Einbrecher und Schlepper. Vielleicht ist auch ein Mörder unter ihnen. Es würde mich noch nicht einmal wundern. Am Ende der dunklen Ufergasse verhielt der Kommissar seine Schritte. Im letzten Haus befand sich eine kleine Kneipe, die den seltsamen Namen Bouillonkeller trug. Neben der Tür hing eine schwarze Tafel, auf der folgendes geschrieben stand: „Der Suppenwirt empfiehlt seine täglich frischen Fleischbrühen und Eintopfgerichte. Tags und nachts erhalten Sie Erbsensuppe mit Speck, Linsengerichte und Gulaschsuppe. Wer einmal probiert hat, kommt immer wieder.“
    Morry schmunzelte still vor sich hin und stieg die ausgetretenen Stufen in den Keller hinunter. Verlockende Düfte strichen ihm entgegen. Es roch nach Fleischextrakt und frischgeröstetem Speck. Schon von weitem konnte er das Klirren von Tellern und das Klappern von Löffeln hören. Es klang, als würde im Moment eine ganze Marschkolonne verpflegt. Tatsächlich waren auch alle Tische zum Bersten voll besetzt. Kaum daß der Kommissar noch ein freies Plätzchen fand. Da er seit Mittag noch nichts zu sich genommen hatte, griff er hungrig nach der Speisenkarte’.
    Er bestellte sich eine Leberknödelsuppe und löffelte den Teller mit sichtlichem Behagen leer. Anschließend verzehrte er noch ein Gulasch und trank ein Glas Bier dazu. Jetzt erst fühlte er sich wieder so weit gestärkt, daß er den Nachbartischen die gebührende Aufmerksamkeit zollen konnte. Die Männer, die er suchte, waren vollzählig anwesend. Sie saßen in der hintersten Nische und blickten verstohlen zu ihm herüber. Morry kannte sie alle fünf. Sie leisteten seit Jahren Spitzeldienste für die Polizei. Sie hatten schon manchen großen Coup verzinkt und etliche Ganoven ans Messer geliefert. Selbstverständlich ließen sie sich für ihre schmutzige Arbeit gut bezahlen. Jedenfalls lebten sie ausschließlich von ihren Verräterreien und gingen keiner anderen Arbeit nach. Morry musterte sie mit geheimem Widerwillen. Er verachtete diese Sorte von Halunken. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er sich dieses Gelichter längst vom Hals geschafft. Aber er mußte sich zu seinem Ärger eingestehen, daß man Männer wie Chris Longman und Buster Lorre doch immer wieder brauchte. Sie wußten im Grund genommen mehr als die Polizei. Sie hatten ihre Augen überall. Vielleicht war ihnen auch in der gestrigen Nacht ein Liebespärchen aufgefallen, das am Geländer des Sodom Walls gestanden hatte.
    Ich muß sie fragen, sinnierte Morry weiter. Vielleicht wissen sie etwas. Wenn nicht, sollen sie in den nächsten Nächten die Augen offen halten. Man wird sie dafür bezahlen. Sie brauchen es nicht umsonst zu tun. Er zahlte seine Zeche und erhob sich. Bevor er dem Ausgang zusteuerte, blinzelte er flüchtig zu dem letzten Tisch hinüber. Drüben hatte man das heimliche Zeichen sofort bemerkt. Fünf Köpfe nickten ihm schweigsam zu. Draußen am Sodom Wall blieb der Kommissar stehen. Er lehnte sich an das Eisengeländer. Er wartete. Schon nach drei Minuten erklangen Schritte hinter ihm. Chris Longman tauchte aus der Dunkelheit. Er trug einen schmierigen Pullover mit Rollkragen und eine speckige Mütze. Sein hohlwangiges Gesicht erinnerte an einen Totenschädel.
    „Gibt’s was Neues, Kommissar?“ raunte er heiser. „Haben lange nichts mehr von Ihnen gehört.
    Fühlen uns wie Fische auf einer Sandbank. Haben Sie keine Arbeit für uns?“
    „Doch“, sagte Morry widerstrebend und vermied es hartnäckig, den Burschen anzusehen. „Wir haben heute in den Abendstunden ein Mädchen aus der Themse . .
    „Weiß ich bereits, Kommissar“, flüsterte Chris Longman. „Wir haben zugesehen, als man das
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