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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder
Autoren: Jeff Lindsay
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nicht den geringsten Hinweis. Sie stand eindeutig schon längere Zeit leer; selbst die Auffahrt war zugewuchert.
    Ich grub tiefer: Zander besaß eine Eigentumswohnung auf Maui, aber das war viel zu weit weg. Ihm gehörten ein paar Hektar in North Carolina – möglich, aber die Vorstellung, zwölf Stunden mit einer Leiche im Auto zu fahren, ließ das unwahrscheinlich wirken. Er besaß Anteile an einer Gesellschaft, die versuchte, Toro Key zu erschließen, eine kleine Insel südlich von Cape Florida. Aber ein Firmengelände war vollkommen ausgeschlossen – zu viele könnten dort herumspazieren und schnüffeln. Außerdem konnte ich mich erinnern, in jüngeren Jahren einmal versucht zu haben, auf Toro Key anzulegen, und dort patrouillierten bewaffnete Wachen, die Leute fernhalten sollten. Es musste anderswo sein.
    Unter seinen Wertpapieren und anderen Vermögenswerten ergab nur eine Sache wirklich Sinn, Zanders Jacht, eine Zigarette von fünfzehn Metern Länge. Aus meiner Erfahrung mit einem ehemaligen Ungeheuer wusste ich, dass ein Boot wunderbare Möglichkeiten bot, Überreste loszuwerden. Einfach die Leiche an ein Gewicht binden, über die Reling werfen und zum Abschied winken. Elegant, sauber, ordentlich; kein Aufstand, kein Umstand, keine Beweise.
    Auch keine, die ich finden konnte. Zanders Boot lag im exklusivsten privaten Jachthafen von Coconut Grove, dem Royal Bay Yacht Club. Ihr Wachdienst war sehr gut, zu gut für Dexter, um mit einem Dietrich und einem Lächeln hineinzuschlüpfen. Es war ein Jachthafen mit Rundumbetreuung für die rettungslos Reichen, die Art Ort, wo bereits der Bug geputzt und poliert wurde, während man noch anlegte. Man musste sein Boot nicht einmal selbst auftanken; man rief einfach an, und bei der Ankunft war alles vorbereitet, bis hin zum eisgekühlten Champagner im Cockpit. Zudem tummelten sich fröhlich lächelnde Wachmänner Tag und Nacht auf dem Gelände, zogen grüßend den Hut vor der feinen Gesellschaft und schossen auf jeden, der über den Zaun kletterte.
    Die Jacht war unerreichbar. Ich war absolut sicher, dass Zander sie zur Beseitigung der Leichen nutzte, ebenso wie der Dunkle Passagier, was ungleich mehr ins Gewicht fällt. Aber es gab keine Möglichkeit, sie zu durchsuchen. Es war ärgerlich, ja frustrierend, sich Zander mit seiner jüngsten Trophäe vorzustellen – womöglich ordentlich in einer goldverzierten Kühlbox verstaut –, der fröhlich den Hafenmeister grüßte und dann nonchalant den Anleger hinunterbummelte, während zwei grunzende Wackenhuts* die Box an Bord seiner Jacht stemmten und respektvoll zum Abschied winkten. Doch konnte ich nicht auf das Boot, um das zu beweisen. Ohne diesen endgültigen Beweis war es mir laut Code Harry nicht gestattet, weiterzumachen.
    Sicher wie ich war, was sollte ich tun? Ich konnte versuchen, Zander beim nächsten Mal auf frischer Tat zu ertappen. Doch hatte ich keine Möglichkeit festzustellen, wann das sein würde, und ich konnte ihn nicht pausenlos beschatten. Hin und wieder musste ich mich bei der Arbeit blicken lassen, meine symbolischen Besuche zu Hause abstatten und der Routine einer normalen Lebensführung folgen. Und so würde Zander irgendwann in den nächsten Wochen den Hafenmeister anrufen und sein Boot aufklaren lassen und …
    Und der Hafenmeister, tüchtiger Angestellter eines Millionärsclubs, würde aufschreiben, was genau er mit dem Boot gemacht hatte und wann: wie viel Treibstoff er getankt, welchen Champagner er geliefert und wie viel Putzmittel er für die Frontscheiben verbraucht hatte. All das würde er in dem Ordner »Macauley« notieren und in seinem Computer speichern.
    Und unvermittelt waren wir wieder in Dexters Welt, in der der Passagier siegesgewiss zischte und mich zur Tastatur drängte.
    Dexter ist bescheiden, ja zurückhaltend, und sich der Grenzen seines beachtlichen Talents durchaus bewusst. Aber wenn es eine Grenze dessen gab, was ich mit dem Computer herauszufinden vermochte, hatte ich sie noch nicht erreicht. Ich machte mich an die Arbeit.
    Ich benötigte keine halbe Stunde, um mich in den Computer des Clubs einzuhacken und die Dateien zu finden. Selbstverständlich existierte eine Service-Datei. Ich glich sie mit den Vorstandssitzungen von Zanders Lieblingswohltätigkeitsorganisation ab, der »Eine-Welt-Mission des Göttlichen Lichts«, die ihren Sitz am Rand von Liberty City hatte. Am vierzehnten Februar hatte der Vorstand überwältigt mitgeteilt, dass Wynton Allan aus dem
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