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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder
Autoren: Jeff Lindsay
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Ärger in Wut auf diese dummen, zwecklosen Dinger und ihre endlose, nichtige, beleidigende Existenz. Und die Wut schwoll an und gärte, bis ES es eines Tages nicht mehr ertragen konnte. Ohne einen Augenblick nachzudenken, was ES tat, erhob ES sich und stürzte sich auf eine der Echsen, wollte sie irgendwie zermalmen. Und etwas Wunderbares geschah.
    ES war in der Echse.
    Sah, was die Echse sah, fühlte, was sie fühlte.
    Eine lange Zeit vergaß ES seine Wut vollkommen.
    Die Echse schien nicht zu merken, dass sie einen Passagier hatte. Sie fuhr fort zu fressen und zu kopulieren, und ES war dabei. An Bord zu sein, wenn die Echse eins von den kleineren Dingern tötete, war sehr interessant. Als Experiment schlüpfte ES in eins der kleinen Dinger. In einem zu sein, das tötete, war wesentlich lustiger, reichte aber nicht, um eine weiterführende Idee zu entwickeln. In demjenigen zu sein, das starb, war sehr interessant und führte zu einigen Ideen, die aber nicht besonders fröhlich waren.
    Eine Weile erfreute ES sich an diesen neuen Erfahrungen. Doch obgleich ES die einfachen Emotionen der Dinger fühlen konnte, gingen diese nie über Verwirrung hinaus. Noch immer bemerkten sie ES nicht, hatten keine Vorstellung – nun, sie hatten einfach keine Vorstellung. Sie schienen nicht fähig, Vorstellungen zu haben. Sie waren einfach beschränkt – doch sie waren lebendig. Sie lebten und wussten es nicht, begriffen nicht, was sie damit anfangen konnten. Es schien nicht fair. Und bald langweilte ES sich erneut und wurde wieder wütend. Und eines Tages begannen die Affendinger aufzutauchen. Zuerst schienen sie nicht weiter bemerkenswert. Sie waren klein und feige und laut. Aber schließlich erregte ein winziger Unterschied die Aufmerksamkeit von ES : Sie hatten Hände, die sie einige erstaunliche Dinge tun ließen. ES beobachtete sie, als auch sie sich ihrer Hände bewusst wurden und sie zu benutzen begannen. Sie benutzten sie für eine Reihe nagelneuer Tätigkeiten: masturbieren, einander verstümmeln, den Kleineren ihrer Art das Futter stehlen. ES war fasziniert und beobachtete sie genauer. ES sah zu, wie sie einander schlugen und dann wegliefen und sich versteckten. ES sah zu, wie sie einander bestahlen, doch nur, wenn niemand hinsah. ES beobachtete, wie sie einander grauenhafte Dinge antaten und sich dann so benahmen, als sei nichts geschehen. Und während ES sie beschattete, geschah etwas Wunderbares zum ersten Mal: ES lachte.
    Und als ES lachte, entsprang ein Gedanke und wuchs in Entzücken gehüllt zu Klarheit heran.
    ES dachte: Damit kann ich arbeiten.

[home]
    1
    W as ist das für ein Mond? Nicht der leuchtende, schimmernde Mond schlitzender Glückseligkeit, mit Sicherheit nicht. Oh, er zerrt und plärrt und leuchtet in einer billigen, flimmernden Imitation dessen, was er tun sollte, aber er birgt keine Schärfe. Dieser Mond hat nicht genug Kraft, um den Carnivor über den Nachthimmel segeln zu lassen, in schlachtender, schlitzender Ekstase. Stattdessen flackert dieser Mond durch ein quietschsauberes Fenster, beleuchtet eine Frau, die fröhlich und munter auf der Sofakante hockt und über Blumen, Kanapees und Paris redet.
    Paris?
    Ja, mit mondgesichtigem Ernst, sie redet über Paris, in diesem weitschweifigen süßlichen Ton. Sie redet über Paris. Wieder.
    Also, was für ein Mond könnte das sein, mit seinem fast atemlosen Lächeln und der feixenden Borte um seine Ränder?
    Er trommelt schwach gegen das Fenster, aber er kann dieses ekelhaft süßliche Gezwitscher nicht durchdringen. Und welcher Dunkle Rächer könnte einfach ruhig im Zimmer sitzen, wie der dösende Dexter es im Augenblick tut, und dabei vorgeben zuzuhören, während er trübselig auf seinem Hintern herumrutscht?
    Nun, es muss ein Hochzeitsmond sein – der sein Ehebanner im Wohnzimmer entrollt, das Signal für alle, sich zu sammeln, blas zum Angriff, noch einmal stürmt zur Kirche, liebe Freunde – denn Dexter mit den tödlichen Grübchen wird heiraten. Von der lieblichen Rita auf den Wagen des Glücks gezerrt, die, wie sich herausgestellt hat, den lebenslangen Wunsch hegt, Paris zu sehen.
    Verheiratet, Flitterwochen in Paris … Gehören diese Wörter wahrhaftig in denselben Satz wie irgendeine Bemerkung über unseren Phantomhäuter?
    Werden wir wahrhaftig einen urplötzlich nüchternen und einfältig lächelnden Schlitzer vor dem Altar einer Kirche stehen sehen, in Frack und Schleife à la Fred Astaire, der den Ring auf den weiß verhüllten
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