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Komm zurück, mein dunkler Bruder

Komm zurück, mein dunkler Bruder

Titel: Komm zurück, mein dunkler Bruder
Autoren: Jeff Lindsay
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ausfindig. Und wenn ich diese Raubtiere aufgespürt habe und wenn ich ganz sicher bin, dass sie tatsächlich getan haben, was sie getan haben, stelle ich sicher, dass sie nie wieder in der Lage sein werden, es erneut zu tun – und all das mit glücklicher Hand und von keinem Gewissen geplagt.
    Deshalb war die Tatsache, dass Rita aus ihrer ersten katastrophalen Ehe zwei Kinder mitbrachte, alles andere als abstoßend, zumal sich herausstellte, dass die beiden Dexters spezielle Erziehung brauchten, um ihre eigenen halbflüggen Dunklen Passagiere auf der düsteren Rückbank bequem und sicher festzuschnallen, bis sie gelernt hatten, wie man fuhr. Ebenso wie ich hatten sich Cody und Astor, vermutlich als Ergebnis der physischen und psychischen Schäden, die ihnen ihr drogenabhängiger biologischer Erzeuger zugefügt hatte, der dunklen Seite zugewandt. Und nun wurden sie zu meinen Kindern, sowohl per Gesetz als auch spirituell. Es genügte fast, um in mir den Eindruck zu erwecken, als hätte das Leben doch irgendeinen höheren Sinn.
    Und so gab es diverse gute Gründe für Dexter, diese Angelegenheit durchzustehen – aber Paris? Ich weiß gar nicht, wer die Idee aufgebracht hat, Paris sei romantisch. Abgesehen von den Franzosen, hat schon mal irgendjemand außer Lawrence Welk ein Akkordeon für sexy gehalten? Und mittlerweile war doch klar, dass sie uns dort drüben nicht mögen? Und zu allem Überfluss bestehen sie dort wohl auch noch darauf, ausgerechnet Französisch zu sprechen?
    Vielleicht war Ritas Hirnerweichung die Folge eines alten Films mit einer flott-fröhlichen Blondine und einem romantischen dunkelhaarigen Mann, die einander zu den Klängen modernistischer Musik um den Eiffelturm jagen und über die urige Feindseligkeit des schmutzigen, Gauloises rauchenden Mannes mit Baskenmütze lachen. Oder vielleicht hatte sie einst eine Platte von Jacques Brel gehört und beschlossen, dass diese zu ihrer Seele sprach. Wer weiß? Irgendwie hatte Rita in ihrem Stahlfallenhirn die Auffassung verankert, Paris sei die Stadt der niveauvollen Romanze, und diese Vorstellung konnte nur mit Hilfe eines größeren chirurgischen Eingriffs gelöscht werden.
    Und so begann eine Serie endloser, geschwätziger Monologe über Paris die endlosen Debatten über Huhn kontra Fisch, Wein kontra freie Getränkewahl zu bereichern. Wir konnten uns doch sicher eine ganze Woche leisten, dann hätten wir genug Zeit, die Tuilerien und den Louvre anzusehen – und vielleicht etwas von Molière in der Comédie Française. Ich musste der Gründlichkeit ihrer Recherchen Beifall zollen. Ich für meinen Teil hatte jegliches Interesse an Paris schon vor Jahren verloren, als ich feststellte, dass es in Frankreich liegt.
    Glücklicherweise rettete mich Codys und Astors subtiles Eintreten vor der Notwendigkeit, ihr all dies auf höfliche Weise nahezubringen. Sie stürmen nicht mit gezogener Waffe in einen Raum, wie es die meisten Kinder im Alter von sieben und zehn tun. Wie ich schon sagte, sind sie von ihrem lieben alten biologischen Dad in gewisser Weise geschädigt, und eine Folge davon ist, dass man sie niemals kommen und gehen sieht; sie infiltrieren einen Raum via Osmose. In einem Moment sind sie nirgends zu entdecken, und im nächsten stehen sie ruhig neben Ihnen und warten darauf, bemerkt zu werden.
    »Wir wollen Dosentreten spielen«, sagte Astor. Sie war die Sprecherin des Pärchens; Cody gab pro Tag nie mehr als vier Wörter in Folge von sich. Er war nicht dumm, ganz im Gegenteil. Er zog es meist einfach vor, nicht zu reden. Jetzt sah er mich nur an und nickte.
    »Oh«, sagte Rita und unterbrach ihre Reflektionen über das Land Rousseaus, Candides – und Jerry Lewis’. »Nun, warum …«
    »Wir wollen mit
Dexter
Dosentreten spielen«, fügte Astor hinzu, und Cody nickte sehr laut.
    Rita runzelte die Stirn. »Ich schätze, wir hätten schon früher darüber reden sollen, aber glaubst du nicht, Cody und Astor – ich meine, sollten sie nicht anfangen, dich, ich weiß nicht, irgendwie anders zu nennen als einfach Dexter? Es scheint so …«
    »Wie wär’s mit
mon papere
«, schlug ich vor. »Oder mit
Monsieur le Comte?
«
    »Wie wär’s mit auf gar keinen Fall«, murmelte Astor.
    »Ich dachte nur …«, sagte Rita.
    »Dexter ist prima«, sagte ich. »Sie sind daran gewöhnt.«
    »Es scheint nicht sonderlich respektvoll«, meinte sie.
    Ich sah zu Astor hinunter. »Zeig deiner Mutter, dass du respektvoll Dexter sagen kannst«, forderte ich
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