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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester!
Autoren: Lois Duncan
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gab, währenddessen sank die Sonne immer tiefer, die Wolken verloren ihre Konturen und färbten sich rosa. Nach einer Weile kam Megan nach Hause. Ihr Gezwitscher stieg das Treppenhaus hinauf, als sie dem Publikum in der Küche die Ereignisse des aufregenden ersten Tages in der dritten Klasse beschrieb. Dann rief Mom Neal und mich zum Essen und es gab Hamburger und Bohnen und was, das bestimmt ein Salat hätte werden können, wenn Mom zum Lebensmittelladen unten im Dorf gegangen wäre. Jetzt waren es eigentlich nur zerrupfte Kopfsalatblätter, über die ein bisschen gehackte Zwiebel gestreut worden war.
    Â»Ich hab das Zeitgefühl verloren«, erklärte sie, entschuldigen wollte sie sich nicht. »Eben war es noch Morgen, und als ich das nächste Mal auf die Uhr guckte, war der Tag schon fast vorbei.«
    Nach dem Essen spielte meine Familie Monopoly am Kartentisch im Wohnzimmer. An jedem anderen Abend hätte ich wahrscheinlich mitgespielt, aber heute war ich zu aufgewühlt und konnte mich nicht konzentrieren. Ich musste allein sein und nachdenken, aber ich wollte nicht in mein Zimmer gehen.
    Megan kaufte gerade die Parkallee, als ich die Treppe runterging und aus der Küchentür hinaus in die Nacht trat.
    Draußen war es erstaunlich hell. Der Vollmond, der gestern Nacht den Strand für Gordon und Natalie erleuchtet hatte, hing auf Halbmast am Himmel. Nach einer kurzen Gewöhnungszeit konnte ich alles ganz genau sehen, die Büsche, den Strandhafer und den Sandweg, der von der Straße zum Haus führte. Das Rauschen der Wellen war sehr laut. Ich ging langsam am Haus entlang zu der Stelle, wo der Weg am Kliff zu Ende war. Vor Cliff House gab es keinen Strand, nur Felsen, die wie Stufen hinunter zum Wasser führten. Die obersten waren flach und trocken, dort hatte man einen sicheren Stand, aber die weiter unten waren glitschig von Schaum und Seetang. Neal war vor Jahren, als er ziemlich klein gewesen war, auf einem Felsen ausgerutscht und ganz übel abgestürzt, unten auf der Stufe war er liegen geblieben. Zwischen den Felsen waren Spalten, die in Hohlräume und Höhlen führten. Megan stellte sich gern vor, dass dort die Meerjungfrauen wohnten. Ich war klug genug, nicht zu riskieren, da runterzufallen, deshalb blieb ich einfach still stehen und lauschte den Wellen, die sich an der Klippe brachen. Je länger ich dastand, desto heller schien der Mond zu werden. Das weiße wirbelnde Wasser leuchtete auf eine total hypnotische Weise. Wenn ich lange genug hineinschaute, dachte ich, würde ich vielleicht wirklich eine Meerjungfrau sehen.
    Â»Laurie?«
    Das sagte jemand unmittelbar hinter mir und ich wäre fast zu Tode erschrocken. Starke Hände umfassten meine Schultern. Mit einem Schrei riss ich mich los, wirbelte herum – und stand vor Gordon.
    Â»Was ist los?«, fragte er.
    Â»Was glaubst du denn? Du hast mich total erschreckt!« Mein Herz hämmerte so heftig, dass ich dachte, es würde mir aus der Brust springen. »Was machst du hier?«
    Â»Ich wollte mit dir reden«, sagte Gordon.
    Â»Und warum hast du dann nicht angerufen?«
    Â»Ich dachte, du legst vielleicht auf, deshalb bin ich lieber rübergekommen. Ich wollte gerade den Weg zum Haus hochlaufen, als ich dich hier auf den Felsen stehen sah.« Er starrte mir ins Gesicht. »Hey, irgendwas stimmt doch nicht? Normalerweise bist du nicht so schreckhaft.«
    Â»Nein, es ist nichts.« Ich holte tief Luft und atmete ganz langsam wieder aus. »Es ist nur … na, es war ein echt blöder Tag.«
    Â»Stimmt«, meinte Gordon. »Laurie, was ich sagen wollte, war … na ja, ich wollte dir nur sagen, dass es schon klargeht.«
    Â»Was geht klar?«
    Â»Was auch immer du gestern Abend gemacht hast. Nicht, dass ich froh drüber wäre oder so. Ich bin höllenmäßig eifersüchtig. Aber es war schon richtig, was du heute Nachmittag auf der Fähre gesagt hast. Ich hab nicht das Recht, dir Stress zu machen, wo ich doch selber mit Nat unterwegs war.«
    Â»Bist du in Nat verliebt?«
    Â»Natürlich nicht. Sie ist ein hübsches Mädchen, ich hatte ein paar Bier und meine Freundin hatte mich sitzen gelassen …«
    Â»Ich hab dich nicht sitzen gelassen!«
    Â»Wir wollen uns nicht darüber streiten, Laurie. Die Sache ist die: keiner von uns beiden ist total unschuldig. Wir haben beide ein bisschen rumgemacht. Bei mir war das nichts
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