Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Komm wieder zurück: Roman

Komm wieder zurück: Roman

Titel: Komm wieder zurück: Roman
Autoren: Deborah Reed
Vom Netzwerk:
bogenförmigen Horst auf der anderen Seite des Sees.
    Annie greift sich an den Hals, glaubt, dort einen zappelnden Frosch haben, dessen winziges Herzchen rast. Weiß der Frosch, was gespielt wird? Gibt er einfach nach? Oder rechnet er sich immer noch Chancen aus, herauskrabbeln zu können?
    Aus irgendeinem Grund bringt sie das dazu, wieder einmal Owens Schritte in ihren letzten gemeinsamen Tagen nachzuvollziehen. Er hatte sich einen neuen Gürtel für seine schrumpfende Taille gekauft. Er erwähnte, dass die schiefen Deckenleisten in derKüche gerichtet werden müssten. Er hatte mit dem Finger nach oben gezeigt und sie aufgefordert hinaufzusehen, als wäre es wichtig, dass sie genau die Stelle sähe, die ihn störte. Und dann hatte ihn ein Fieber niedergestreckt. »Ich liebe dich«, murmelte er im nächtlichen Schüttelfrost. Wen? Wen liebte er, während sie ihn zudeckte? Während sie ihm die Stirn mit einem kalten Lappen abwischte und ihm Eiswasser in seine roten brennenden Lippen flößte?
    Irgendwann zwischen den schiefen Deckenleisten und dem Fieber hatte er sie bei der Spüle an sich gezogen und sie wortlos gedrückt. Ein graues Brusthaar, das sie nie zuvor bemerkt hatte, kräuselte sich über dem Halsausschnitt seines T-Shirts und zitterte unter ihrem Atem. Dass er sie so hielt, war nichts Neues. Nichts Besonderes in einer Beziehung, in der sich beide treu waren. Und dennoch kehrt sie zu der stillen Umarmung zurück, zu dem Brusthaar, der Arbeitsplatte, die in ihre Hüfte drückte, als wären sie alle Teil eines alles entscheidenden Augenblicks. Hinweise auf eine größere Geschichte. Bruchstücke, die nur zusammengefügt einen Sinn ergeben.
    Sie bricht zum Hain auf. Dunst, dicht wie Rauch, hüllt die Bäume ein. Erst als sie bis auf vierzig Meter herankommt, tauchen die roten Früchte allmählich auf.
    Sie zieht den Handschuh aus und pflückt eine Tangelo. Süß und saftig und erstaunlich reif. Die tief hängenden müssen sofort gepflückt werden. Bittere Kälte überzieht ganz Florida. Man spricht sogar von Schnee.
    Sie hört das Geräusch eines Wagens, der sich ihrer Auffahrt nähert. Sie kann im Nebel nichts sehen, erkennt aber an dem leisen Summen, dass es nicht Calders Truck ist. Sie joggt über das Feld. Der Nebel lichtet sich gerade über ihrem Haus. Die roten Stühle tauchen am Rand der Veranda auf, dann Detours goldfarbenes Gesicht am Fenster.
    Die cremefarbene Limousine ihrer Mutter hält am Haus. Es ist neun Uhr morgens. Das ergibt keinen Sinn. Seit Jahrzehnten – seit Annies Vater starb – ist ihre Mutter selten vor Mittag aufgestanden.
    In einem buttergelben Kleid steigt sie aus, mit passender Jacke, die an der Taille endet, was diese noch schmaler wirken lässt. Auf hohen Absätzen stakst sie von einem Grasbüschel zum nächsten. Das Haar ist hinten hochgesteckt. Sie geht nicht in die Kirche, aber wenn sie es täte, dann wahrscheinlich in so einem Aufzug, denkt Annie.
    »Du bist heute aber früh auf!«, ruft Annie, als sie durch Mrs Lanies Garten läuft. »Warum bist du denn angezogen wie für den Gottesdienst?«
    Ihre Mutter dreht sich um und fällt beinahe die Treppe hinunter.
    Jetzt bemerkt Annie, dass sie die falschen Worte zur Begrüßung gewählt hat. Auf dem erhitzten Gesicht ihrer Mutter sind getrocknete Tränen.
    »Was ist denn?«
    »Du hast es also noch nicht gehört?«
    »Was denn?«
    »Du lieber Gott«, sagt ihre Mutter. »Du solltest mal ans Telefon gehen.«
    »Was ist los?«
    »Können wir hier draußen auf der Veranda sitzen?« Sie nimmt Platz. »Ich brauche ein bisschen frische Luft.«
    Annie zieht die Tür auf, und Detour kommt auf die Veranda gehoppelt. Er beschnüffelt die nackten Knie ihrer Mutter. Sie tätschelt ihm kurz den Kopf.
    »Du hast das Haus angestrichen«, sagt ihre Mutter, während sie sich umsieht.
    »Was ist denn los?« Annie nimmt neben ihr Platz.
    Ihre Mutter hält sich die Handtasche unter den Busen. »Es ist etwas frischer geworden.«
    »Geht es um Onkel Calder?« Annie wappnet sich für die Floskeln – 
eingeschlafen, von uns gegangen, sanft entschlummert …
    »Es geht um deinen Bruder.«
    Zuerst denkt Annie, sie meint damit, dass Calder tot ist.
    »Er ist gestern verhaftet worden.«
    Die Spannung, die sich in Annies Hals aufgebaut hat, entlädt sich in einem quietschenden Lacher. »
Was

    Die Mutter sieht Annie tief in die Augen. Das Weiß ist rot geädert, offenbar verschreckt von furchtbaren Neuigkeiten. »Er soll einen Mann namens Magnus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher