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Komm mit mir, liebes Hausgespenst

Komm mit mir, liebes Hausgespenst

Titel: Komm mit mir, liebes Hausgespenst
Autoren: Marie Louise Fischer
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mitnehmen...“
    „Kommt nicht in Frage!“ protestierte Monika. „Du hast den ersten Preis gewonnen, es wäre einfach unfair...“
    „Amadeus ist unfair! Das ist das Schlimme an ihm!“
    Norbert wühlte in seinen blonden Locken. „Was kann man da nur machen?“
    „Sich ins Unvermeidliche fügen!“
    „Das sieht dir eigentlich gar nicht ähnlich, Moni! Ich dachte immer, du seist eine Kämpfernatur!“
    „Kämpf du einmal mit einem Gespenst!“
    Eine Weile schritten sie stumm und nachdenklich nebeneinander her.
    „Wenn du ihm nur versprächest“, sagte Norbert endlich, „ihm was Schönes mitzubringen…“
    „Was kann sich ein Gespenst schon wünschen?“ fragte Ingrid.
    „Keine Ahnung“, mußte Norbert zugeben.
    „Amadeus hat alles, was er will“, erklärte Monika, „er kann sich alles nehmen, was er braucht... Teller, Tassen, Bilder, Muttis Schmuck und Vatis Pfeife. Er kennt auch alle verborgenen Schätze hier in der Umgebung. Ich wüßte wirklich nicht, was ich ihm versprechen könnte.“
    „Schade“, sagte Norbert, der einsehen mußte, daß seine Idee doch nicht so gut gewesen war.
    Ingrid verhielt den Schritt. „Und wenn du ihn nun einfach mitnähmst?“
    „Unmöglich! Er ist ans Haus gebannt.“
    „Woher willst du das wissen?“
    „Weil er über eine bestimmte Grenze nie hinauskommt! Hierher nach Geretsried kann er zum Beispiel nicht. Sonst könnten wir ja gar nicht so offen reden. Am Rand der großen Wiese vor unserem Haus hört sein Reich auf... und auf der anderen Seite hinter der Schloßruine...“
    „Gut und schön. Das brauchst du uns nicht vorzuexerzieren“, erwiderte Ingrid, „wir sind mit deinem Gespenst vertraut genug, um seine Grenzen zu kennen. Aber das besagt ja nichts. Aus eigener Kraft kommt er über diese Grenzen nicht hinaus. Das wissen wir, das haben wir oft genug erfahren. Mein Vorschlag ist: Du solltest ihn mitnehmen.“
    „Wie könnte ich das?“
    „Ich finde Ingrids Vorschlag gar nicht schlecht“, sagte Norbert, „wir sollten darüber diskutieren.“
    Sie hatten das Wirtshaus erreicht und betraten die gemütliche alte, holzgetäfelte Gaststube. Noch einige andere Schüler und Schülerinnen aus der Geretsrieder Mittelpunktschule waren auf die Idee gekommen, sich hier zu treffen. Sie hatten die Musikbox in Betrieb gesetzt, die so gar nicht in diese Stilvolle Umgebung passen wollte; sie dudelte den neuesten Discosound.
    Zum Glück fanden unsere drei noch einen freien Tisch in einer Ecke, wo sie, ohne daß die anderen sie hörten, ungestört miteinander palavern konnten. Sie warfen ihre Schultaschen auf die Bank, Monika und Norbert zogen ihre Anoraks aus, und Ingrid schlüpfte aus ihrem Regenmantel.
    Die beiden Mädchen gingen auf den Hausflur hinaus, wo es einen Münzfernsprecher gab.
    Ingrid telefonierte als erste. „Alles in Ordnung“, sagte sie, als sie aufgehängt hatte, „wir essen erst um zwei.“
    Monika warf ihre Groschen ein und rief die Mutter an. Sie berichtete, daß sie im Gasthof war und hörte zu, was Frau Schmidt zu sagen hatte.
    Als sie in die Wirtsstube zurückkam, war sie noch eine Spur blasser geworden. Die beiden anderen bemerkten es sofort.
    „Was ist los?“ fragte Norbert. „Hast du geschimpft gekriegt?“
    „Überhaupt nicht.“ Monika setzte sich zu ihnen. „Meine Mutter ist froh, daß ich hier bin. Ich kann auch gleich hier essen.“ Sie sah die Freunde aus weitaufgerissenen grünen Augen an. „Sie ist nämlich gar nicht zum Kochen gekommen. Amadeus hat sich entsetzlich aufgeführt.“
    „Was hat er gemacht?“ fragten Ingrid und Norbert fast gleichzeitig.
    „Immer wieder die Betten zerwühlt... die Töpfe fliegen lassen... die Kartoffeln auf den Küchenschrank gesetzt, all diese alten albernen Späße. Man könnte darüber lachen. Aber meine Mutti treibt’s zum Wahnsinn.“
    Die Kellnerin kam. Monika bestellte eine Leberknödelsuppe, ein Schmalzbrot mit Schnittlauch und einen Apfelstrudel — Spezialitäten, für die der Gasthof bekannt war — und dazu frische Milch. Norbert bestellte Schmalzbrot mit Milch und Ingrid nur Milch.
    „Eines steht fest“, sagte Monika, „ich muß Amadeus sofort besänftigen. Ich kann nicht zulassen, daß er meine Familie verrückt macht, bloß weil er einen Rochus auf mich hat.“
    „Was ist ein Rochus?“ fragte Norbert verblüfft.
    „Eigentlich ein Heiliger“, erklärte Ingrid.
    „Sagt man so, wenn einer eine Wut auf einen hat“, fügte Monika hinzu, „warum, weiß ich auch nicht.
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