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Komm mit mir, liebes Hausgespenst

Komm mit mir, liebes Hausgespenst

Titel: Komm mit mir, liebes Hausgespenst
Autoren: Marie Louise Fischer
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einen ganz feinen Ausritt, ja?“ Sie gab ihm eine Handvoll Heu.
    Dann guckte sie in die Töpferwerkstatt ihrer Mutter, die in einem anderen Teil des ausgebauten Stalles lag. Aber sie war verlassen.
    Monika lief zum Wohnhaus, Kaspar immer noch dicht hinter sich. Doch als sie die Schwelle betrat, verhielt er den Schritt. Er zog die Lippen zurück und zeigte, wild knurrend, seine gefährlich scharfen Zähne. Die Nackenhaare sträubten sich ihm.
    Monika wußte, was das bedeutete: Amadeus trieb sein Unwesen.
    Doch auch ohne Kaspars Vorwarnung hätte sie es sofort gemerkt, als sie in die große Wohndiele trat. Obwohl es draußen fast windstill war, schien hier drinnen ein Orkan zu toben. Es heulte in der Luft, und alle losen Gegenstände, abgesehen von den Möbeln, wurden in Wirbeln durch das Zimmer geschleudert.
    In diesem Durcheinander tanzte Frau Schmidt herum und versuchte, einen Aschenbecher, eine Vase, ein Buch, eine Bücherstütze, eine Obstschale einzufangen und wieder an ihren Platz zu stellen.

    Es sah urkomisch aus, und Monika konnte nicht anders: Sie mußte lachen.
    Frau Schmidt blieb stehen und sah sie an, Tränen in den Augen. „Wie kannst du, Moni! Ich bin am Ende meiner Kräfte... und du lachst!“
    „Aber, Mutti!“ Monika lief zu ihr hin und umschlang sie. „Sei mir bitte nicht böse, aber es sah wirklich komisch aus! Und dann: Wozu jagst du so herum? Du wirst doch nicht im Ernst glauben, daß du schneller sein kannst als Amadeus?“
    „Aber diese Unordnung!“
    „Macht doch nichts, Mutti. Du solltest Amadeus inzwischen kennen. Er stellt alles wieder unbeschädigt an seinen Platz zurück, wenn er sich ausgetobt hat.“
    „Und wann wird das sein? Hoffentlich recht bald, denn lange kann ich es nicht mehr in diesem Wirrwarr aushalten. Peter ist gleich wieder fortgelaufen und Liane...“
    „Beruhige dich, Mutti!“ Monika stellte die Schulmappe ab und hing ihren Anorak an die Garderobe. „Ich werde sofort versuchen, mit ihm in Verbindung zu treten.“
    „Moni, bitte, sag doch nicht immer so unheimliche Sachen.“ Monika lachte. „Willst du nun, daß ich ihn zur Vernunft bringe oder nicht?“
    „Natürlich will ich es. Aber es ist ziemlich unheimlich, eine Tochter zu haben, die mit Geistern verkehrt.“
    „Nicht mit Geistern, Mutti, nur mit unserem speziellen Hausgespenst, meinem besonderen Freund Amadeus.“
    Diese liebevollen Worte schienen schon besänftigend auf Amadeus zu wirken. Die Gegenstände wirbelten zwar noch durch den großen Raum, aber doch in etwas gemäßigterem Tempo.
    „Glaubst du, du kannst dich mit ihm in Verbindung setzen?“ fragte Frau Schmidt.
    „Bei Tag ist mir das noch nie gelungen, aber ich werde es versuchen. Ich gehe jetzt auf mein Zimmer und lege mich hin. Das solltest du auch tun, Mutti. Du siehst aus wie Weißbier und Spucke. Ein bißchen Ruhe wird dir guttun.“
    „Wenn Amadeus sie mir ließe!“
    „Nun, augenblicklich tobt er hier herum, und gleich werde ich ihn rufen. Überall gleichzeitig kann er ja auch nicht sein. Also leg dich aufs Ohr.“
    Monika gab ihrer Mutter einen liebevollen Kuß und lief die Treppe hinauf. Sie ging in ihr gemütliches kleines Zimmer, trat an die Balkontür, von der aus sie einen hübschen Ausblick über die Wiese bis hin zum Wald hatte, klappte die Läden vor und zog die Vorhänge zu. Sie dachte, daß Amadeus sich im Dunkeln lieber blicken lassen würde.
    Dann zog sie sich aus, bis auf Hose und Hemd, und kletterte ins Bett. Immer wieder rief sie in die Finsternis hinein: „Amadeus, bitte komm! Laß dich sehen! Ich will dich sprechen! Ich habe dir einen Vorschlag zu machen!“
    Aber nichts geschah, und da sie selber noch mitgenommen von der vergangenen Nacht war, schlief sie ein.
    Sie erwachte davon, daß es sie fröstelte. Zuerst glaubte sie, daß Amadeus ihr die Bettdecke weggezogen hätte, denn das tat er gern, wenn er sie sprechen wollte. Aber es war nicht so. Die Decke war noch da, und trotzdem war ihr kalt.
    Auch das konnte bedeuten, daß Amadeus in der Nähe war, denn er pflegte sich immer durch einen kalten Luftzug anzukündigen.
    „Amadeus“, murmelte sie und schlug die Augen auf.
    Schlaftrunken beobachtete sie einen höchst merkwürdigen Vorgang, den sie selber schon so oft erlebt hatte, daß sie gar nicht mehr darüber staunte.
    Ein weißes, nebliges, durchsichtiges Gebilde stand im Raum. Erst war es fast rund, dann begann es sich zu gliedern, streckte längliche Gebilde von sich, die sich zu Hals und Kopf, Armen und
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