Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kolonie der Genetics

Kolonie der Genetics

Titel: Kolonie der Genetics
Autoren: Alfred Bekker
Vom Netzwerk:
Kraft entziehen und Sie Chancen übersehen lassen, die sich Ihnen bieten.«
    Ich zucke mit den Schultern. Ich ahne, dass er recht hat. Nein, ich weiß es. Er spricht genau das aus, was ich selbst schon vor langer Zeit zumindest auf intellektueller Ebene erkannt habe. Ich habe sogar meine Konsequenzen daraus gezogen.
    Mein Werdegang als Leitender Ingenieur im Dienst des Star Corps ist ein Teil davon. Aber meine Psyche weigert sich mitunter, das als gegeben zu akzeptieren. Sie ist irgendwie in diesem ganzen komplizierten Prozess nicht mitgekommen und Bruder William hat das sofort erkannt.
    »Wie gesagt, Sie haben gut reden«, erwidere ich, weil ich irgendwie auf Streit aus bin. Manchmal muss man einen Widerstand spüren, um zu wissen, dass man noch existiert. Ich bin mir nicht sicher, ob Bruder William nicht auch das weiß. Jedenfalls gibt er mir diesen Widerstand, den ich suche. »Sie führen das Leben, zu dem Sie geschaffen wurden. Aber ich kann das nicht. In so fern glaube ich kaum, dass Sie beurteilen können, wie es in mir aussieht …«
    »Es ist nicht meine Absicht, Sie zu beurteilen. Ich stelle lediglich fest. Ich teile Ihnen mit, was ich wahrnehme. Das ist alles.«
    »Ein Spiegel meiner Seele? Ach kommen Sie, Bruder William, das ist lächerlich.«
    »Wenn es lächerlich ist, dann verstehe ich Ihre offensichtliche Erregung nicht, Lieutenant.«
     
     
    Wie gesagt, meine Augen sind infrarotsichtig – ausschließlich infrarotsichtig, was bedeutet, dass ich meine Arbeit nur mit Hilfe von Spezialdisplays zu verrichten vermag, denn für das, was der Rest der Menschheit das sichtbare Licht nennt, bin ich blind.
    Aber das ist keineswegs ein Nachteil. Mein Gehirn produziert Bilder aus dem Erfassen von Temperaturunterschieden. Einige Schlangenarten auf der Erde nehmen mit Hilfe ihrer infrarotsichtigen Augen Temperaturunterschiede von einem dreitausendstel Grad wahr und können damit bei absoluter Dunkelheit – etwa in Höhlen – ihre Beute problemlos fangen. Die Bilder, die dabei in ihren Hirnen entstehen, sind zwar monochrom, aber an Schärfe jedem heute handelsüblichen Display überlegen. Feinere Differenzierungen könnte im Bereich des sichtbaren Lichts auch kein menschliches Auge wahrnehmen. Eher im Gegenteil!
    Ich hingegen verfüge über Augen, die Temperaturunterschiede von weniger als einem zehntausendstel Grad wahrzunehmen vermögen. Ein wahrhaft durchdringender Blick, auch wenn ich diesen Aspekt aufgrund seiner zweifelhaften Sozialverträglichkeit nie in den Vordergrund gespielt habe. Aber selbst bei Trägern moderner, schweißabsorbierender Spezialkleidung kann ich sehen , wenn jemand leicht zu schwitzen beginnt.
    Kleine Temperaturdifferenzen sind das Spiegelbild körperlicher oder seelischer Erregungszustände. Was da im Einzelnen jeweils Ursache und was Wirkung ist, kann man manchmal schwer unterscheiden. Wahrscheinlich kann man diese Prozesse am ehesten als reziproke Wechselwirkungen betrachten. Die Kausalität geht mal von A nach B und mal in die umgekehrte Richtung.
    Dem einzigen Besatzungsmitglied der STERNENFAUST II, dem das eigentliche Ausmaß meiner Wahrnehmungen bewusst zu sein schien, war Bruder William. »Sie hätten sich auch als Psychologe geeignet«, sagte er einmal. »Ich meine, von Ihrer Disposition her.«
    »Wenn Sie mit Disposition meine Fähigkeit meinen, feinste Temperaturveränderungen zu sehen , dann haben Sie recht. Allerdings müsste ich mich dazu mehr für Menschen interessieren.«
    »Und das tun Sie nicht?«
    »Ich wurde nicht geschaffen, um mich für Menschen zu interessieren, sondern um Maschinen zu warten, zu modifizieren und kreativ zu verschalten. Unter günstigen Umständen kann ich mit meinen Infrarotaugen in sie hineinsehen, ohne sie zu öffnen. Zumindest sehe ich, ob vom Temperaturprofil her irgendetwas nicht stimmt.«
    »Aber Sie interessieren sich sehr stark für sich selbst, Lieutenant.«
    »Sie nicht?«
    »Sie beobachten sich.«
    »Das klingt verdammt eitel.«
    »Vielleicht ist es das auch.«
    »Na, hören Sie mal!«
    »Sie reflektieren Ihr Leben, Simon, wenn auch mit einem überwiegend negativen Ergebnis.«
    »Ja, und?« Ein plötzlicher Gedanke: Was fällt ihm eigentlich ein, mich Simon zu nennen?
    »Das ist immer der erste Schritt, der dem Interesse an anderen vorausgeht.«
    »Ich glaube, Sie täuschen sich, Bruder William.«
    »Und ich glaube, Sie täuschen sich, Lieutenant.«
    Zurück zu Galunda Prime, dieser Extremwelt, in deren Inneren unter hohem Druck ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher