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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out
Autoren: Andreas Eschbach
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publik geworden. Als Hals-Nasen-Ohren-Arzt hatte Marcus in der Folge viele Fälle zu behandeln gehabt, in denen die Entfernung der Chips mit Problemen verbunden gewesen war.
    Je mehr er über die Hintergründe erfuhr, desto mehr faszinierte ihn das Thema. Ein Chip, der die Gehirne zweier Menschen direkt miteinander verbinden, der den einen an den Erfahrungen, an den Gedanken, am Leben des anderen teilhaben lassen konnte! Das klang wie die Erhörung ihrer Gebete.
    Marcus Shepard las alles, was sich darüber finden ließ. Jeden Zeitungsartikel. Jedes Interview mit Beteiligten. Er las das Buch des Neurologen Stephen Connery, der die Technologie entwickelt hatte. Auch das Buch von Jeremiah Jones, der unschuldig als Terrorist verfolgt worden war. Er verbrachte Nächte im Internet, um Informationen zu sammeln.
    Nur in den Film »Computer*Kid« ging er nicht. Der handelte zwar von der Lebensgeschichte des jungen Hackers, der als der beste der Welt galt und der mit dem Ende der Kohärenz zu tun gehabt hatte, doch in dem Film ging es vor allem darum, wie der Junge damals diese Sache mit den Milliarden durchgezogen hatte, und das interessierte Marcus weniger. Überhaupt erfuhr man fast nichts über diesen Computer*Kid: Er lebe jetzt mit seiner Freundin in Kalifornien und studiere, behauptete eine Zeitschrift, hatte als Beweis aber nur ein unscharfes Foto, auf dem im Grunde nichts zu erkennen war.
    Als Marcus das Gefühl hatte zu wissen, wovon er sprach, diskutierte er seinen Plan mit Theresa. Die meinte nur: »Was hab ich schon zu verlieren?« Da ihr Bruder bei der Polizei war und mit den Aufräumarbeiten nach dem Zusammenbruch der Kohärenz zu tun gehabt hatte, musste Marcus nur noch ihn überreden.
    Ein Freund aus Schultagen, Jerry Kopp, übernahm die Technik. Jerry arbeitete in der IT eines großen Mobilfunkanbieters und war ein Fuchs mit Computern. Er richtete den Server ein, die Internet-Standleitung, die notwendigen Funkanlagen und so weiter. Und er drückte den Knopf, als es darum ging, Marcus mithilfe des Implantationsgerätes den Chip einzusetzen.
    Zuerst spürten sie keine Veränderung. Damit hatte Marcus gerechnet. Nach einigen Wochen passierte es ab und zu, dass ihm Gedanken in den Sinn kamen, die mit dem, was er tat, in keinerlei Zusammenhang standen. Theresa erzählte ihm das Gleiche.
    Und eines Tages geschah es. Marcus saß am Schreibtisch, sah Abrechnungen durch und verzehrte nebenbei das Sandwich, das wie üblich seinen Lunch darstellte, als er plötzlich eine ungewohnte Empfindung am Hinterkopf verspürte. Geistesabwesend griff er sich in den Nacken, aber da war nichts, was man hätte vertreiben können; keine Fliege, keine Spinne ...
    Er hielt inne. So fühlte sich das auch nicht an. Es fühlte sich an wie ... ein Kissen!
    Marcus Shepard sprang auf. Auf einmal war er aufgeregt und es war eine seltsam doppelte Aufregung, gerade so, als erzeuge sein Gefühl ein Echo. Er riss die Tür zum Vorzimmer auf, stürmte hinaus. »Sagen Sie alle Nachmittagstermine ab!«, wies er seine Sprechstundenhilfe an.
    »Aber –!«
    »Absagen. Alles«, rief er, schon halb in der Garderobe. »Ich habe heute keine Zeit mehr.«
    Zehn Minuten später war er, seine Laufschuhe an den Füßen, unterwegs zum Strand. Und gleich darauf berührten die Sohlen seiner Schuhe zum ersten Mal seit drei Jahren wieder Sand. Er rannte. Er war außer Form, keuchte sich die Lunge aus dem Leib, aber er rannte, so lange er nur konnte.
    Als er nach Hause kam, rief ihm Theresa entgegen: »Ich hab es gespürt! Ich hab gespürt, wie du gerannt bist! Marc, oh Marc! Ich hab es wirklich gespürt!«
    Er ging zu ihr, verschwitzt, wie er war, und nahm ihre Hände. »Es funktioniert«, sagte er mit rauer Stimme. »Jetzt wird alles gut.«
    Kurz darauf meldete sich Jerry wieder. Rief an, ob mit dem Server und so weiter alles in Ordnung sei, und fragte nach kurzem Zögern, wie es laufe. Ob es tatsächlich funktioniere.
    »Besser, als ich mir je hätte vorstellen können«, antwortete Marcus. »Wir sind dir zu ewigem Dank verpflichtet für deine Hilfe. Wenn wir je etwas für dich tun können, sag es. Egal was.«
    Jerry atmete hörbar auf. »Also, da du es erwähnst – da wäre etwas ...«
    Und dann erzählt er von einer Frau, die er kennengelernt hatte, mit der es endlich eine feste Sache zu werden versprach. Sylvie hieß sie. Sylvie wiederum hatte eine Schwester namens Mona, deren Mann Willy am sogenannten Locked-in-Syndrom litt: Das war eine Krankheit, bei der ein
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