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Kohärenz 03 - Time*Out

Titel: Kohärenz 03 - Time*Out
Autoren: Andreas Eschbach
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schluchzen.
    »Gehen.«
    »Und was wird aus Christopher?«
    »Ein Upgrader.«
    Serenity hob den Kopf, sah sich um. Sie waren nicht allein. Weiter vorne kam eine Gruppe von Menschen um die Ecke. Und aus der Straße daneben auch. Sie blieben stehen, schauten zum Emergent Building hinüber, als wüssten sie, was darin vor sich ging.
    »Woher kommen all diese Leute?«, fragte sie verwundert.
    Guy sah sich ebenfalls um. »Ach so, die«, sagte er. »Hmm. Womöglich hab ich die gerufen.«
    »Gerufen? Wie denn?«
    »Hab ich dir nicht erzählt.« Guy kratzte sich im Nacken. »Kleine Sicherheitsmaßnahme. Als ich in der Stadt war, bin ich noch schnell in ein Internet-Café meine Mail-Maschine anwerfen. Hab sie so eingestellt, dass sie heute früh eine Mail an die ganze Welt schickt. Hab geschrieben, dass die Leute, die dafür verantwortlich sind, dass zwanzig Millionen Menschen erstarrt sind, hier sitzen, in diesem Gebäude. Und dass, wer's nachprüfen will, einfach nur zu kommen braucht.« Er nahm die Hand wieder runter. »Wie gesagt: Nur zur Sicherheit.«

89

    Er hatte versagt. Das würde man einmal über ihn sagen.
    Wobei – nein. Das würde man nicht, weil am Schluss niemand mehr übrig sein würde, der etwas sagen konnte, nur noch die Kohärenz selbst. Niemand würde erzählen können, was wirklich passiert war. Nämlich das: Als es darauf angekommen war – als das Schicksal der Menschheit auf Messers Schneide gestanden hatte und sein eigenes dazu –, da hatte Christopher Kidd, Computer*Kid, der berühmte, legendäre, sagenumwobene König der Hacker, versagt. Da war ihm die entscheidende Idee zu spät gekommen. Da hatte er ein Stück Programm, das für die Funktionsweise der Kohärenz eine fundamentale Rolle spielte, zu spät verstanden.
    Dabei war es so einfach. Es hatte so auf der Hand gelegen. Kein Wunder, dass die Kohärenz Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatte auf den bloßen Verdacht hin, dass dieses Stück Sourcecode in falsche Hände geraten sein mochte. Kein Wunder, dass sie zu Bomben und Gewalt, überhaupt zu jedem Mittel gegriffen hatte, das ihr geeignet schien, diese Information wieder aus der Welt zu schaffen.
    Dieses Stück Programm war eine Waffe gewesen. Doch er, Christopher, hatte nicht erkannt, wie man sie hätte einsetzen müssen.
    Und jetzt, da er es kapiert hatte, war es zu spät.
    Er sah blicklos zu, wie Serenity und Guy aus dem Glasbau geleitet wurden. Den kalten Stahl der Waffe immer noch an der Schläfe verfolgte er, wie man sie Richtung Ausgang führte.
    Es hatte so auf der Hand gelegen. Er konnte nicht einmal sagen, dass er es nicht geahnt hätte. Denn er hatte es geahnt.
    Schon lange. Seine Träume von den Gemälden seiner Großmutter, den Gitternetzen, auf deren Kreuzungspunkten Gehirne saßen – das war ein Bild dafür gewesen.
    Er hatte es nur nicht verstanden. War mit anderem beschäftigt gewesen.
    Die Kohärenz war ein Zusammenschluss zahlloser Gehirne. So weit klar. Aber wie funktioniert das im Einzelnen? Wie funktionierte das genau? Darüber hatte er sich wenig Gedanken gemacht – zu wenige. Die Gehirne waren eben miteinander verbunden. Punkt. Irgendwie. Nicht so wichtig, wie das im Einzelnen vor sich ging.
    Aber es war wichtig. Es wäre die wichtigste Frage überhaupt gewesen.
    Doch das hatte er erst in dem Moment verstanden, in dem die Kohärenz angeboten hatte, ihm Serenity zur Nachbarin zu geben.
    Zur Nachbarin! Das hieß nichts anderes, als dass jedes Gehirn in ein Netzwerk eingegliedert wurde und dort einen ganz bestimmten Platz zugeteilt bekam. Natürlich nicht räumlich, das war unnötig. Es ging nur darum: Wenn ein Gedankenimpuls ein Gehirn über den Chip verließ – wohin floss er dann? Wenn sich eine Erregungsleitung über den Chip und das Mobilfunknetz in andere Gehirne fortpflanzte, um dort ebenfalls Neuronen anzuregen, musste klar geregelt sein, in welchen Gehirnen das stattfand!
    Genau das war es, was diese CORE DISTRIBUTION LOOP regelte: Jedes Mal, wenn ein in digitale Impulse umgewandeltes Nervensignal im System der Kohärenz ankam, fragte sie eine Datenbank ab, um zu ermitteln, an welche anderen Gehirne das Signal weiterzuleiten war.
    So einfach. So auf der Hand liegend. Und er hatte es nicht gesehen.
    Diese Datenbank repräsentierte nichts weniger als die Struktur der Kohärenz selber. In ihren Datensätzen waren alle Verbindungen der Gehirne untereinander abgebildet.
    Ohne diese Datenbank würde die Kohärenz aufhören zu existieren.
    Und nun war es zu
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