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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage
Autoren: Rebecca Michéle
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Erdenbürger auf die Welt zu helfen.
»Es sind Zwillinge. Darum auch die frühe Geburt. Der Bauch Eurer Herrin ist für zwei Kinder viel zu klein.«
Kaum hatte Kate beim Zweitgeborenen – dieses Mal war es ein Mädchen – die Nabelschnur durchtrennt, als Ellen laut aufschrie. Zitternd streckte sie Kate den Jungen entgegen, dessen Gesichtsfarbe sich mehr und mehr blau verfärbte.
»Er atmet nicht mehr!«
Sofort begann Kate, den kleinen Brustkorb zu massieren. Sie hauchte ihren eigenen Atem durch den Mund, aber es war zwecklos. Gott hatte die Seele des Säuglings zu sich geholt, bevor er überhaupt einen Namen erhalten hatte.
»Was ist mit dem Jungen?« Schwach kam die Stimme Lady Margarets vom Bett her. »Bitte, sagt nicht, dass auch er wieder tot ist!«
Kate und Ellen sahen sich stumm an. Lady Margaret reichte dieser Blick, um zu erkennen, was geschehen war. Verzweifelt warf sie den Kopf hin und her. Kate trat zu ihr und legte ihr das zweite Kind in die Arme. Das Mädchen war zwar genauso zart und klein wie ihr erstgeborener Bruder, doch es atmete kräftig und tief. Jetzt verzog sich der Mund, und das Mädchen schrie, wie gesunde Neugeborene schreien müssen.
Als würde sie Ekel empfinden, sah Margaret auf das hilflose Bündel in ihren Armen. Auch als sich das kleine Mündchen den Weg zu ihrer Brust suchte und gierig zu saugen begann, glättete sich ihre Stirn nicht.
»Warum du?«, stieß sie zornig hervor. »Warum muss ein unnützes Mädchen leben und mein Sohn sterben?«
»Mylady, versündigt Euch nicht!«, versuchte Ellen sie zu beruhigen. »Es ist Gottes Wille …« Sie stutzte und zog nagend die Unterlippe zwischen die Zähne, dann drehte sie sich mit einem hintergründigen Lächeln zu Kate herum. »Hast du dem Herrn etwas davon gesagt, dass Mylady Zwillinge erwartet?«
Kate verneinte verwundert. »Als Mylord im Zimmer war, war erst der Junge geboren worden. Er hat mich ja nicht zu Wort kommen lassen, als ich ihm etwas über den Zustand der Herrin sagen wollte.«
»Gut, sehr gut sogar!« Zärtlich strich Ellen über den dunklen Flaum auf dem Kopf des Mädchens. »Hebamme, wird dieses Kind leben?«
»Nun, man weiß nie, aber sie ist wesentlich kräftiger und damit lebensfähiger als ihr Bruder.«
Lady Margaret mochte zwar eine ängstliche Frau sein, aber sie war nicht dumm. Sie ahnte, was ihre Zofe plante, und ihre Augen weiteten sich erwartungsvoll. Sie gebot Kate, ihr das Mädchen abzunehmen, dann richtete sie sich mühsam auf. »Mein Sohn wird morgen getauft. Ganz so, wie es mein Mann wünscht.«
»Kann das wirklich gut gehen?«, fragte Ellen, nun hinsichtlich ihres eigenen Gedankens skeptisch geworden.
»Thomas wird in den nächsten Tagen nach Frankreich reisen. Der König plant mal wieder einen Feldzug. Möglicherweise wird mein Mann von dort nicht zurückkehren. Warum sollte ich jetzt also unser aller Leben und unser Heim aufs Spiel setzen? Es ist eine Chance, eine kleine zwar nur, aber immerhin eine Chance, die uns auf jeden Fall Zeit verschafft.«
Staunend verfolgte Kate das Gespräch der beiden. In ihren Armen gluckste das muntere kleine Mädchen, während der Junge auf dem Boden lag, als sei er ein Bündel Lumpen, das jemand achtlos fortgeworfen hatte. Dann dachte sie an den Beutel mit den Goldstücken. Wenn Lord Fenton erfuhr, dass sein Sohn tot war, würde sie vielleicht nicht nur das Geld verlieren. Dieser Mann war zu allem fähig.
»Was soll mit dem Jungen geschehen?« Ihre Stimme klang belegt, und sie vermied es, das Kind noch einmal anzusehen.
Ellen erhob sich. »Ich werde mich darum kümmern.« Sie trat so nah an Kate heran, dass ihre Gesichter nur noch eine Handbreit voneinander entfernt waren. »Du verschwindest jetzt. Am besten zieht ihr, du und deine Schwester, gleich morgen in eine andere Grafschaft und kommt niemals wieder auch nur in die Nähe von Fenton Castle. Hast du verstanden?«
Kate nickte. »Genau das hatte ich vor«, antwortete sie mit harter Stimme und verließ Fenton Castle, ohne einen Blick auf die grauen Mauern zurückzuwerfen.
    Am nächsten Vormittag wurde in der Burgkapelle ein Säugling auf den Namen
Anthony Francis Thomas Fenton
getauft. Der stolze Vater ritt noch am gleichen Tag nach London und von dort Seite an Seite mit den Männern des Königs nach Dover, um nach Frankreich überzusetzen.

2. KAPITEL
    Fenton Castle, Dorset, 5. August 1546
    Schon lange vor seinem vierzehnten Geburtstag spürte Anthony, dass er anders war als andere. Obwohl sein Leben nach außen hin in
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