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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage
Autoren: Rebecca Michéle
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geschickten Griffen, ohne der geplagten Frau noch mehr Schmerzen zuzufügen. Scharf zog sie die Luft ein, behielt aber ihre Erkenntnis, die das Abtasten des geschwollenen Leibes ergeben hatte, für sich. Lady Margaret hatte die Größe und Statur eines zwölfjährigen Kindes! Jetzt war ihr zarter Körper auf ein Vielfaches aufgedunsen, ein schwaches Rinnsal von hellrotem Blut lief an ihren Beinen herunter.
»Die wievielte Geburt ist es für sie?«, fragte sie Ellen, während sie das mitgebrachte Bündel mit ihren Utensilien öffnete.
»Wenn du die Schwangerschaften rechnest, die Mylady bis zum Ende durchgestanden hat, so ist es die fünfte. Dazu kommen allerdings noch einige Fehlgeburten.«
Fünf Geburten! Dieser zarte Körper war kaum dazu geeignet,
einem
Kind das Leben zu schenken!
Kate ölte ihre rechte Hand ein und tastete sich in den Geburtskanal vor. Mit der Linken drückte sie leicht von außen dagegen. Lady Margaret stöhnte, über ihre Pupillen legte sich ein milchiger Schimmer.
»Rettet mein Kind«, hauchte sie und versuchte sich aufzusetzen. In ihren Augen stand die nackte Angst. Mit erstaunlicher Kraft umklammerte sie Kates linkes Handgelenk. »Es muss ein Junge sein! Hörst du? Sonst sind wir alle verloren!«
»Es ist alles in Ordnung, Mylady«, versuchte Kate sie zu beruhigen. Auf keinen Fall durfte sie ihr sagen, was sie eben bei der Untersuchung festgestellt hatte. Wenn sich Lady Margaret zu sehr aufregte, wäre ihr Leben keinen Pfifferling mehr wert. Sie brauchte ihre ganze Konzentration und Kraft für die kurz bevorstehende Geburt.
Kate wischte sich die Hände an einem feuchten Tuch ab, dann zog sie eine Glasphiole aus der Tasche und träufelte Lady Margaret einige Tropfen auf die Zunge.
»Was machst du da?«, fuhr Ellen sie barsch an. Die anderen Frauen standen mit ängstlichen Blicken um das Bett herum.
»Sie muss ein wenig ruhen«, antwortete Kate bestimmt. »Wie lange liegt sie schon in den Wehen?«
»Seit sechs Stunden. Zuerst dachten wir, sie würden wieder vergehen, da ihre Zeit noch nicht gekommen ist. Aber dann setzten die Blutungen ein …«
Kate nickte wissend. »Bringt mir heißes Wasser und feuchte Tücher. Es kann nicht mehr lange dauern.«
Ellen gab entsprechende Anweisungen, worauf zwei jüngere Frauen das Zimmer verließen. Eine andere beugte sich zu Kate vor und flüsterte: »Der Herr wird uns alle aus dem Haus weisen, wenn die Lady dieses Mal keinen gesunden Jungen zur Welt bringt.«
Verständnislos schüttelte Kate den Kopf.
»Wir können froh sein, wenn diese Frau überhaupt ein lebendes Kind gebärt. Aber ich habe Euren Herrn kennen gelernt – er scheint einzig auf einen Sohn versessen zu sein.«
Kate schaute sich nach Ellen um, die geschäftig Leinentücher in schmale Streifen riss.
»Mylord Fenton ist keinen Deut besser als der König.« Die Augen der jungen Frau weiteten sich angstvoll, und sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Als die Lady wieder schwanger wurde, hat er gesagt: ›Das ist deine letzte Chance. Entweder du bekommst endlich einen Sohn, oder ich will dich niemals wieder sehen! Ich bin noch jung genug, mir eine andere Frau zu nehmen, die im Stande ist, mir einen gesunden Erben zu schenken.‹ Seitdem hat die Lady panische Angst, dass der Herr ihr etwas antun könnte. Denn es gibt bereits eine andere Frau …«
»Was habt ihr da zu tuscheln?« Barsch unterbrach Ellens Stimme die geflüsterte Unterhaltung. »Alice, verlass das Zimmer. Du kannst hier doch nicht helfen.«
In der nächsten Stunde beobachtete Kate besorgt, wie sich Lady Margaret vor Schmerzen krümmte. Sie wusste, es waren nicht nur die Wehen, die es der Frau so schwer machten, nein, sie war von einer panischen Angst beherrscht, dass ihr Kind – sollte es überhaupt lebensfähig zur Welt kommen – ein Mädchen sein könnte. Diese Angst hemmte den natürlichen Geburtsvorgang.
Endlich war draußen das Gewitter vorüber, und Ellen öffnete ein Fenster. Tief sog Kate die frische Luft ein, die nach dem Regen kühl und rein ins Zimmer strömte. Doch die Sonne strahlte schon wieder erbarmungslos vom Himmel, der Natur war also nur eine kurze Ruhepause von der sommerlichen Hitze beschert worden.
Plötzlich schrie Lady Margaret qualvoll auf. Sie versuchte, ihre Fersen auf das Laken zu stemmen, ihr Körper bog sich nach oben. Kate und Ellen tauschten einen viel sagenden Blick. Nun ging es richtig los. Längst war alles vorbereitet, und die anderen, doch nur hilflos herumstehenden Frauen waren aus dem
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