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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage
Autoren: Rebecca Michéle
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können. Ihr könnt mir glauben, ich habe dieselben Kenntnisse wie meine Schwester Mary. Beide wurden wir von unserer Mutter, die ebenfalls Hebamme war, ausgebildet, und in meinem Dorf habe ich Dutzenden von Kindern auf die Welt geholfen.«
Die Frau drehte sich abrupt um und gebot Kate mit einer Handbewegung, ihr zu folgen. »Dann müssen wir eben mit dir vorlieb nehmen. Hat dich deine Schwester über das Befinden von Lady Margaret unterrichtet?«
Kate bemühte sich, mit den schnellen Schritten der Frau mitzuhalten. Sie passierten einen gepflasterten Innenhof, der von vier Seiten von mehrstöckigen Fachwerkgebäuden umschlossen war. Sobald sie wieder ins Freie traten, wurden sie erneut vom Regen durchnässt, doch hatte der Hagel zum Glück aufgehört. Kate verzichtete darauf zu erwähnen, dass sie zuvor weder von Lady Margaret Fenton noch von Fenton Castle etwas gehört hatte. Sie war erst am Vortag bei ihrer Schwester Mary eingetroffen. Die Schwestern hatten nicht viel Zeit gehabt, um miteinander zu sprechen, dann wurde Mary zu der Geburt gerufen. Nun betraten sie die große Halle der Burg. An der dunklen Holztäfelung mit den kunstvollen Schnitzarbeiten und dem großen, von hellen Kacheln gesäumten Kamin erkannte Kate, dass es sich um ein vornehmes, reiches Anwesen handelte. Dutzende von Kerzen erhellten die Räume, da es wegen des Unwetters draußen finster wie mitten in der Nacht war.
Während sie die Halle durchquerten, sagte die Frau: »Die Lady ist sechs Wochen zu früh dran, eine Katastrophe!«
Sie betraten gerade die Treppe zum Obergeschoss, als aus einer Seitentür ein Mann auf sie zu stürmte.
»Ist das endlich die Hebamme?«, blaffte er unfreundlich. »Ellen, warum hat das so lange gedauert?«
Die mit Ellen Angesprochene zuckte unter der lauten und dröhnenden Stimme des Mannes wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Von ihrer vorherigen Überlegenheit Kate gegenüber war plötzlich nichts mehr zu bemerken. Ihre Stimme wurde zu einem demütigen Flüstern, als sie antwortete: »Verzeiht, Herr, aber die Hebamme, die Mylady bereits öfters zur Seite gestanden hat, ist zurzeit nicht da. Wir haben jedoch einen Ersatz beschafft.«
Verärgert runzelte Kate Trevor die Stirn. Was sollte das heißen: Ersatz
beschafft
? Sie war schließlich freiwillig hier! Kein Mensch hatte sie beschafft. Sie war gekommen, weil der Bursche sie um Hilfe angefleht hatte, da seine Herrin in den Wehen lag. Zum zweiten Mal an diesem Tag bereute Kate, den Weg in die Burg angetreten zu haben.
Sie
hatte schließlich mit den Bewohnern von Fenton Castle nichts zu schaffen! Die nächsten Worte des Mannes, bei dem es sich offenbar um Mylord Fenton, den Hausherrn, handelte, jagten ihr erneut einen Schauer über den Rücken, der diesmal gewiss nicht von ihrem durchnässten Kleid kam.
»Sorge dafür, dass meinem Sohn nichts geschieht, sonst wirst du es bitter bereuen!« Er beugte sich zu ihr hinab, denn er war sicher über sechs Fuß groß, dabei kräftig und muskulös. Sein dunkles Haar war ebenso wie sein sorgfältig gestutzter Bart von unzähligen grauen Strähnen durchzogen. Eiskalt, ohne jegliches Gefühl, bohrte sich sein Blick in Kates Augen. »Wenn du vor der Wahl stehen solltest, mein Kind oder meine Frau zu retten – so lass dir gesagt sein: Ich will meinen Sohn! Unter allen Umständen! Meine Geduld ist am Ende. Wenn es dieses Mal nicht gelingt, so werde ich mit euch allen kurzen Prozess machen! Hast du verstanden?«
Kate nickte beklommen, zumal der Mann immer noch drohend wie ein Berg den Weg ins Obergeschoss versperrte. Sie zweifelte keinen Augenblick daran, dass er immer das bekam, was er wollte. Aber Gottes Willen konnte auch er nicht beeinflussen. Offensichtlich hoffte er auf einen Sohn und Erben, das Schicksal seiner Frau schien ihm dagegen völlig gleichgültig zu sein.
Kate schluckte mehrmals trocken, um den Kloß in ihrem Hals zu vertreiben. Endlich konnte sie wieder der Frau mit dem Namen Ellen folgen, die sie im ersten Stock in einen großen Raum führte. Sofort bemerkte Kate die stickige Schwüle im Zimmer, vermischt mit dem Geruch von Schweiß, Blut und Angst. In dem großen, mit roten Samtvorhängen umschlossenen Bett lag, umringt von besorgten Bediensteten, eine Frau, die sich in heftigen Krämpfen wand. Sofort war Kate voll und ganz Hebamme. Hier war eine Frau, die dringend Hilfe benötigte. Sie würde alles tun, was in ihrer Macht stand.
Kate beugte sich über Lady Margaret und untersuchte sie mit schnellen,
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