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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage
Autoren: Rebecca Michéle
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sich langsam. »Mylady Antonia, ich habe die Geschehnisse aus dem Mund eines Augenzeugen erfahren. Ich bin in Schottland nicht ohne Einfluss und habe vertrauenswürdige Männer, die an allen wichtigen Orten auf dieser Insel für mich die Augen und Ohren offen halten, so auch in London. Euch scheint das Schicksal dieses ketzerischen Mädchens sehr am Herzen zu liegen, vielleicht etwas zu sehr?«
Deutlich war seine Missbilligung über Antonias für jeden sichtbares Entsetzen herauszuhören.
»Ich wusste von Anfang an, dass man den Engländern nicht trauen kann!«, rief Fairbanks und schob sich triumphierend ein Stück Käse in den Mund. »Laurel, einen schönen Erben nährst du da an deiner Brust. Seine Frau sympathisiert mit einer Verräterin!«
In der Halle war es still geworden, aller Augen richteten sich auf Antonia. Sie nahm die Hände herunter und hob den Kopf. In ihren Augen schimmerten Tränen, aber ihre Stimme war klar und deutlich, als sie sagte: »Jane Grey war einer der liebenswertesten und freundlichsten Menschen, die jemals gelebt haben. Ich bin stolz darauf, ihre Freundin und Vertraute gewesen zu sein, und sehe keinen Grund, das zu verheimlichen. Wenn man mich deswegen verurteilen mag – nur zu! Von Jane habe ich gelernt, stets für seine Überzeugung einzutreten. Sie blieb sich und ihren Idealen immer treu. In ihrem Herzen gab es nur Freundlichkeit und nicht den kleinsten dunklen Fleck. Jane sah nur das Gute in anderen Menschen, Misstrauen war ihr fremd. Das wurde ihr schließlich zum Verhängnis. Mit Jane Grey starb nicht nur ein Mädchen, sondern ein Stück Freiheit. England geht dunklen Zeiten entgegen.«
Niemand hinderte Antonia, als sie mit langsamen Schritten die Halle verließ. Norman saß zuerst wie angewurzelt auf seinem Stuhl, er empfand ein tiefes Gefühl der Bewunderung für Antonia und schämte sich, weil er selbst nicht so mutig und entschlossen den Anfeindungen entgegentrat. Langsam hob er der Kopf und sah seinem Onkel fest in die Augen.
»Mylord Inverleithen«, bewusst wählte er die offizielle Anrede, »ich möchte Euch einiges erklären, ebenso Euch, meine Lords«, wandte er sich an die anderen Herren. »Ich werde Euch jetzt die wahre und vollständige Geschichte unserer beider Schicksale erzählen.«
Plötzlich hatte Norman keine Angst mehr, der Burg verwiesen zu werden und sein Erbe zu verlieren. Antonia war in ihrem Herzen Jane sehr ähnlich, nur war sie sich dessen nicht bewusst. Wenn Antonia jemanden liebte, dann würde sie diese Person unter Einsatz ihres eigenen Lebens zu beschützen versuchen. Und Antonia liebte ihn, liebte ihn von ganzem Herzen. Er hätte es erkennen können, doch er war all die Jahre über blind gewesen. Es hatte Hunderte von Kleinigkeiten gegeben, und Antonia hatte ihm zweimal das Leben gerettet. Plötzlich war es ihm, als würde ein Schleier von seinen Augen gerissen oder ein dichter Nebel sich lichten. Auch er liebte Antonia, gerade darum, weil sie anders als andere Frauen war. Er liebte ihren Dickkopf, ihren Starrsinn und ihre Eigenwilligkeit.
Norman räusperte sich und begann, offen und ehrlich zu sprechen. In den folgenden Stunden berichtete er seinem Onkel und allen Gästen alles, was sich seit seinem Besuch in Fenton Castle abgespielt hatte. Norman verschwieg und beschönigte nichts, denn er wusste, mit Antonia an seiner Seite würde er in Zukunft allen Widrigkeiten trotzen können. Egal, was Laurel Mercat nun mit ihm machen würde – er würde zu Antonia halten und, wenn es sein müsste, auch ans Ende der Welt mit ihr gehen.
    Antonia war verschwunden, sie schien die Burg verlassen zu haben. Zwei Tage lang suchte Norman die ganze Umgebung zu Fuß und zu Pferd ab, weder schlief noch aß er. Laurel Mercat hatte einen Suchtrupp ausgeschickt, und die Sorge um Antonia stand auch ihm ins Gesicht geschrieben.
»Sie hat sich nichts angetan«, sprach er Normans schlimmste Befürchtungen aus. »Antonia ist eine starke Frau.«
»Darum befürchte ich, dass sie mich verlassen hat«, entgegnete Norman. »Sie denkt, dass ich sie nicht liebe, nicht brauche, dass ich sie nur geheiratet habe, um als dein Erbe anerkannt zu werden.«
Mercat runzelte die Stirn. »Ein wenig Recht hat sie damit schon, oder? Du sahst am Tag eurer Hochzeit nicht gerade begeistert aus.«
Norman senkte verlegen den Kopf. Sein Onkel sprach die Wahrheit. Obwohl er Antonia mochte und sie immer schon beschützen wollte, war die tiefe Liebe erst in den letzten Monaten gewachsen. Wie sehr er sie
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