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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage
Autoren: Rebecca Michéle
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beinahe krank vor Sorge um dich. Antonia, du musst mit mir nach Hause kommen«, bat er und versuchte, Antonia auf seine Arme zu heben. Sofort versteifte sich ihr Körper, und sie löste sich von Norman.
»Lass mich einfach hier. Es ist wirklich wahr, Jane ist tot? Es ist kein Gerücht oder eine infame Lüge?«
Norman zerriss es beinahe das Herz, als er sah, wie viel Hoffnung in ihren Augen lag, es sei alles nur eine widerwärtige Lüge. Natürlich gab es keinen Beweis, aber warum hätte Malcolm Douglas lügen und eine solche Geschichte erzählen sollen? Den Schotten lag weder am Schicksal von Jane Grey noch an Königin Mary etwas, außer vielleicht, dass sich England nach der Heirat mit Philipp mit Spanien gegen sie und Frankreich verbünden könnte.
Norman überlegte kurz, ob er Antonia trösten und ihr sagen sollte, Jane sei längst wieder daheim in Bradgate Park und setze ihre Studien fort, aber er konnte sie nicht anlügen, nicht Antonia. In seinem Leben hatte er schon vielen Frauen Worte gesagt, von denen er wusste, dass diese sie hören wollten. Worte der Liebe und Leidenschaft, die leicht über seine Lippen gekommen waren, ohne dass sein Herz daran beteiligt gewesen war. Bei Antonia war es von Anfang an anders gewesen. Noch als er glaubte, sie wäre ein Junge, war Norman ehrlich zu ihr gewesen. Damals war sie sein Knappe gewesen, heute war sie seine Frau, unfreiwillig zwar, aber rechtmäßig getraut. Und er hatte durch den Schwur vor dem Priester Verantwortung für sie übernommen. Eine Verantwortung, die er gerne zu tragen bereit war. Ein Leben ohne Antonia würde für ihn kein Leben mehr sein. Sie gehörte zu ihm wie die Nebel, die jeden Morgen aus dem Moor aufstiegen, und die klare Luft, die er in seine Lungen zog.
»Antonia, wir müssen uns damit abfinden, dass Jane tot ist«, sagte er leise. »Ich wünschte, ich könnte dir etwas anderes sagen.«
»Das glaube ich dir«, antwortete Antonia. Zuerst war es nur eine Träne, die ihr über die Wange lief, dann plötzlich, als wäre eine Schleuse geöffnet worden, weinte Antonia. Es war das erste Mal, seit sie von Janes Hinrichtung gehört hatte. Die letzten Tage hatte sie in apathischem Dämmerzustand verbracht, nun wurde ihr Körper von Weinkrämpfen geschüttelt, und sie barg ihren Kopf an Normans Brust.
»Weine, mein Liebes, weine dich aus. Ich bin ja bei dir.«
Norman fühlte sich angesichts ihres Gefühlsausbruches schrecklich hilflos. Er konnte nichts anderes tun, als Antonia immer wieder übers Haar zu streichen und beruhigende Worte zu flüstern. Er wusste, dass ihr Zusammenbruch nur die logische Folge der vergangenen Monate war: ihre Verhaftung und Verurteilung, der Tod ihres Vaters und ihre verzweifelte Flucht quer durch das ganze Land. Antonia hatte gekämpft wie ein Mann und sogar einen Menschen getötet. Bei alldem war sie immer ruhig und unerschrocken geblieben, doch jetzt konnte sie diese Last nicht mehr ertragen.
Als Antonias Tränen langsam versiegten, wurde ihr bewusst, dass sie sich fest an Normans Brust geschmiegt und ihre Arme um seinen Hals geklammert hatte. Sie versuchte, sich zu lösen, aber Norman gab sie nicht frei.
»Bleib bei mir, Antonia«, flüsterte er, und seine Stimme hatte einen ungewohnten sanften Klang. »Gemeinsam stehen wir das durch, denn gemeinsam sind wir stark. Ich ... ich brauche dich, Antonia.«
Sie schloss die Augen, ließ die Worte in ihrem Kopf nachwirken und wünschte sich, dieser Augenblick möge ewig dauern.
»Du bist nun der Erbe von Inverleithen und brauchst mich nicht mehr. Vielleicht sollte ich wirklich gehen ...«
»Scht! Wie kannst du so etwas sagen? Ich möchte nicht, dass du gehst, niemals. Ich möchte, dass du meine Frau wirst, Antonia.«
»Deine Frau? Norman, wir sind seit Monaten miteinander verheiratet«, erinnerte Antonia ihn.
»Das waren nur Worte vor einem Priester ... Ich möchte, dass du mit deiner ganzen Seele meine Frau wirst, so wie ich dein Mann sein werde. Ich möchte Kinder mit dir haben, kleine, schwarzgelockte, freche Wesen, die uns die Nachtruhe rauben und die Tage versüßen werden.«
Langsam hob Antonia den Kopf. »Wie kann ich das glauben? Nach all den Jahren?«
Verlegen zuckte Norman mit den Schultern. »Vielleicht gibst du mir eine Chance? Das heißt, wenn du mich auch magst, wenn ich dir nicht zuwider bin ...«
»Norman!« Antonia schrie auf, umschlang ihn mit beiden Armen. Plötzlich war ihr egal, was er von ihr dachte. Er sollte wissen, dass sie ihn liebte, ihn immer geliebt
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