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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage
Autoren: Rebecca Michéle
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Kleid von den Schultern. Obwohl es kühl im Zimmer war, loderte in Antonia eine Hitze, die sie nie zuvor empfunden hatte, und sie wollte, dass dieses Gefühl niemals wieder vergehen würde.
Sie hörte, wie Norman sich ebenfalls entkleidete. Die Matratze ächzte, als er sich neben sie legte. Ihr Herz schlug ein paar Takte schneller, in ihre freudige Erwartung mischte sich ein wenig Angst.
Norman spürte ihre Anspannung. »Ich werde dir nicht wehtun.« Seine Lippen liebkosten die kleine Mulde über ihrem Schlüsselbein, und Antonia wusste, dass sie Norman vertrauen konnte. Nichts und niemand würde sie je wieder trennen können.
»Ich liebe dich.« Nie zuvor hatte Norman drei Worte so ernst gemeint wie in diesem Augenblick.
Antonia wischte die Träne des Glücks, die langsam über ihre erhitzte Wange rollte, nicht fort. »Komm zu mir, Norman«, hauchte sie. »Ich möchte jetzt deine Frau werden.«
Als ihre Körper nach einem kurzen stechenden Schmerz miteinander verschmolzen, verbanden sich auch ihre Seelen. Bevor Antonia in die lichte und helle Welt der Liebe und Leidenschaft entflog, dachte sie einen Moment daran, dass es auf der Welt nichts Schöneres gab, als eine Frau zu sein.
Norman Powderhams Frau.

Epilog
    London, 15. Januar 1559
    In warme Pelzumhänge gehüllt standen sie am Fenster und blickten auf die Straße, auf der sich seit Stunden der Krönungszug vorwärts bewegte. Als würde die Sonne diesen glücklichen Tag für England ebenso begrüßen wie Hunderttausende von Einwohnern, strahlte sie von einem leuchtend blauen Himmel und ließ die Diamanten und Edelsteine an den Kleidern der hohen Herren und Damen aufblitzen.
»Sie kommt!«, rief Antonia aufgeregt und lehnte sich so weit nach vorne, dass sie beinahe aus dem Fenster gefallen wäre, hätte Norman sie nicht von hinten mit beiden Armen fest umklammert und sie gehalten. Antonia hatte keine Angst, denn sie wusste, Norman würde sie immer halten, egal, was kommen mochte.
Es näherte sich der Tross, in dessen Mitte eine schlanke, große Frau mit rötlich blonden Haaren auf einem Schimmel ritt. Ihr Prachtgewand aus blauer Seide blitzte nur hier und da unter der roten, mit Hermelin besetzten Robe hervor. Sie trug ihr Haar offen über die Schultern fallend und hatte trotz der Kälte auf Handschuhe verzichtet. Ihr langen, schlanken Finger mit den wohlgeformten ovalen Nägeln führten die Zügel des Pferdes fest und sicher. Immer wieder kam der Zug zum Stocken, da Kinder Verse aufsagten oder Lieder sangen, eine Bettlerin übergab einen Rosmarinzweig und ein paar Männer fielen vor ihr in den Schneematsch der Straße, um ihr ihre aufrichtige Treue zu bekunden.
Elizabeth nahm alles glücklich lächelnd zur Kenntnis. Obwohl sie fror, trieb sie ihr Pferd nicht zur Eile an. Tausende von Untertanen bewiesen ihr heute ihre Zuneigung, ihre Treue und Verehrung. Elizabeth wollte ihnen beweisen, wie ernst es ihr mit den Worten war, ihr Volk zu beschützen und zu lieben, die sie, bevor man ihr die Krone Englands aufs Haupt setzte, in der Abtei zu Westminster schwören würde.
Mary Tudor, die allgemein nun den Beinamen
Die Blutige
trug, war tot und Elizabeth die neue Königin, eine Königin, wie es sich das Volk besser nicht wünschen konnte: Sie war jung, gesund und kräftig, dazu schön und anmutig, jede ihrer Bewegungen verriet, dass sie die Tochter des unvergessenen König Henry war. Mary hatte kein Kind geboren, obwohl sie sich mehrmals schwanger wähnte. Aber es waren nur Wunschträume gewesen, die besonders stark wurden, als Philipp das Land und seine Frau verlassen hatte. Vor lauter Einsamkeit hatte Mary noch verbissener die Ketzerei bekämpft. Hunderte von Unschuldigen wurden allein in Smithfield verbrannt. Elizabeth konnte das Unrecht nicht mehr gutmachen, aber sie wollte versuchen, England in eine glücklichere, friedvolle Zukunft zu führen.
    Das festliche Krönungsbankett fand in der Halle des königlichen Palastes von Westminster statt. Unbehaglich rutschte Antonia auf ihrem Platz hin und her.
»Ich wünschte, wir könnten gehen«, raunte sie Norman leise zu.
»Wir müssen der Königin erst noch unsere Aufwartung machen. Das sind wir ihr schuldig, nach allem, was sie für uns getan hat«, mahnte Norman. »Komm, lass uns zu ihr rübergehen.«
Antonia knickste vor der Frau, mit der sie einst gemeinsam in einem Schulzimmer griechische Übersetzungen angefertigt hatte.
Huldvoll lächelnd bedeutete ihr Elizabeth, sich zu erheben. »Antonia Fenton … Nein, Ihr
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