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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage
Autoren: Rebecca Michéle
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Zärtlichkeit, zu lesen, aber sie schob es darauf, dass sie wollte, dass Norman sie so ansah.
»Würdest du mich jetzt bitte allein lassen«, sagte sie leise. »Ich bin sehr müde und möchte zu Bett gehen.«
Norman erhob sich und machte einen Schritt auf Antonia zu. Er merkte, dass etwas sie bedrückte und traurig stimmte. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und ihren Kopf an seine Brust gebettet. Dann zögerte er, als sich in Antonias Gesicht Abwehr spiegelte. Er zuckte kurz mit den Schultern und verließ den Raum. Da sie allein gewesen waren, war es nicht nötig, sich von Antonia mit einem Kuss zu verabschieden. Trotzdem hätte er es gerne getan.
    Nachdem es tagelang geregnet hatte, schmolz der Schnee nach und nach, und die ersten grünen Sprossen kamen zum Vorschein. Dennoch war der Frühling noch weit. Wie Laurel Mercat ihnen erzählt hatte, schneite es oft bis in den Mai hinein. Aber die Tage wurden länger, und als die Sonne endlich schien, wärmten die Strahlen und ließen die Landschaft in einem goldenen Licht erscheinen.
An einem Abend verkündete Laurel Mercat: »Ich erwarte morgen ein paar Gäste, die für einige Tage bei uns bleiben werden. Unter anderem beehrt mich Malcolm Douglas mit seinem Besuch. Wir haben einiges miteinander zu besprechen.«
Dabei zwinkerte er Norman verschwörerisch zu, und Norman lächelte verlegen. Antonia hegte den Verdacht, dass es sich um eine Übereinkunft zwischen den beiden Männern handelte, aber sie fragte nicht nach. Stattdessen freute sie sich auf die Gäste und beteiligte sich am folgenden Tag an den Vorbereitungen. In der Küche wurde gebraten, gebrutzelt und gebacken, nicht einmal an Weihnachten hatte es so viele Köstlichkeiten gegeben. Malcolm Douglas war der Clanchef, auf dessen Besitz sich Inverleithen befand. Anfangs hatte Antonia angenommen, dass Laurel Mercat über ein eigenständiges Reich herrschte, musste sich dann aber belehren lassen, dass er eine Art Vasall des Clans der Douglas’ war. Einmal im Jahr musste Normans Onkel einen Eid leisten, in dem er sich verpflichtete, Malcolm Douglas Treue und Gefolgschaft zu leisten, für ihn, wenn nötig, die Waffen zu erheben und stets die Belange und Rechte der Douglas zu verteidigen, wenn es sein müsste, sogar mit seinem Leben. Für Antonia war die Clanherrschaft der Schotten ziemlich unübersichtlich, und sie hatte die Zusammenhänge nicht ganz verstanden, klar war aber, dass alle Clans letztlich der schottischen Krone unterstanden. Auf jeden Fall schien der Besuch von Malcolm Douglas sehr wichtig zu sein. Deshalb wurden keine Kosten und Mühen gescheut, Inverleithen in Prunk und Glanz erstrahlen zu lassen. Aus bisher verschlossenen Räumen wurden silberne Kerzenleuchter, Teller und Schüsseln geholt. Antonias Tischdecken kamen zum Einsatz, und sie fragte sich, ob die Gäste wohl ihre ungeschickten Stiche bemerken würden.
Insgesamt sechs Männer trafen am folgenden Tag ein. Vier von ihnen waren verheiratet und wurden von ihren Frauen begleitet, auch Malcolm Douglas. Seine Frau war groß und kräftig, nicht mehr jung, aber in ihrem roten Haar zeigte sich keine graue Strähne. Nach einer intensiven Musterung zog Lady Douglas Antonia an ihre Brust.
»Wir waren ja so gespannt, endlich Laurels Neffen und seine Frau kennen zu lernen. Im gesamten Tiefland wird seit Monaten von nichts anderem mehr gesprochen, als dass Engländer auf Inverleithen weilen. Ihr müsst mir alles über Euer Land erzählen! Man sagt, dass am Hof immer von goldenen Tellern gespeist wird.«
Antonia lachte und versicherte, dass dem nicht so war. »Jedenfalls nicht die unzähligen Menschen, die dem Hofstaat angehören. Der verstorbene König Henry hat sich allerdings schon mit Prunk und Kostbarkeiten umgeben.«
»Ihr verzeiht, wenn ich diesen Namen lieber nicht höre, Myladys«, mischte sich Sir Fairbanks ein, ein älterer, vollständig ergrauter Laird, dessen Besitz an Inverleithen grenzte. »Kein anständiger Schotte wird jemals den schwarzen Tag im September des Jahres 1513 vergessen, an dem nicht nur die tapfersten Ritter des Landes und die höchsten Kirchenfürsten, sondern auch vierzehn Lairds und neun Herzöge auf dem Schlachtfeld am Fuß des Brankston Hill starben. Mein Vater war einer von ihnen.«
»Das tut mir Leid ...«, begann Antonia, als sich die Hand von Laurel Mercat auf ihre Schulter legte.
»Duncan, kein Schotte wird jemals Flodden Field vergessen, doch ich möchte, dass dieser Abend ungetrübt verläuft, denn wir
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