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Königin für neun Tage

Königin für neun Tage

Titel: Königin für neun Tage
Autoren: Rebecca Michéle
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Ausbildung zum Ritter vorbereite. Bis du dazu alt genug bist, wirst du mir als Knappe dienen.«
Der Boden unter Anthonys Füßen begann zu schwanken. Schnell klammerte er sich mit beiden Händen an die Lehne eines Stuhles. »Heißt das, dass ich Euch nach London begleiten soll?«
Norman Powderham nickte. »Ich selbst stehe in Mylords Diensten. Ich werde dich zu ihm bringen. Derzeit befindet sich der Hof im königlichen Palast zu Hampton Court. Dort befindet sich die beste Ausbildungsstätte für Kämpfer und Reiter von ganz England. Auch ich habe in Hampton Court eine ausgezeichnete, aber auch strenge Erziehung genossen.«
Deutlich hörte Anthony den Stolz in Sir Normans Worten.
»Ihr seid auch dort ausgebildet worden?«, platzte er neugierig heraus.
»Anthony, sei still«, unterbrach Lady Margaret. Auf ihrer Stirn standen Schweißperlen, obwohl es in der Halle kühl war. Plötzlich sackte sie in sich zusammen, schlug die Hände vors Gesicht und fing haltlos zu weinen an. Dann sprang sie auf und rannte aus der Halle, als wäre der Leibhaftige persönlich hinter ihr her.
Einen Augenblick später war Ellen an Anthonys Seite. »Ich bringe dich auf dein Zimmer«, sagte sie bestimmt, und zu Sir Norman gewandt: »Ihr müsst entschuldigen, aber die Gesundheit von Mylady ist sehr angeschlagen. Die Nachricht, ihren einzigen Sohn hergeben zu müssen, kam sehr überraschend. Bitte, bedient Euch doch. Unser Mahl ist zwar bescheiden, aber ich hoffe, Ihr findet etwas, was Euch munden wird.«
Widerwillig folgte Anthony seiner Kinderfrau. Zurück blieb ein völlig verdutzter Norman Powderham, der sich fragte, auf was er sich hier wohl eingelassen hatte. Er ließ das kalte Fleisch und die Platten mit dem Käse unbeachtet, schenkte sich jedoch einen weiteren Kelch Rotwein ein. Als er nach Fenton Castle aufgebrochen war, hatte er erwartet, einen jungen Mann vorzufinden, der das Abbild seines Vaters war. Lord Thomas Fenton war groß und stark, mit einem runden Kopf und einem mächtigen Stiernacken. Dieser Junge hatte nichts mit ihm gemein, vielleicht von der Größe abgesehen, denn für sein Alter war er schon recht in die Höhe geschossen. Seine Gliedmaßen wirkten jedoch schlaksig und unkontrolliert. Nun gut, er würde dem Wunsch seines Herrn Folge leisten, schließlich hatte er Lord Fenton viel zu verdanken.
Lord Thomas Fenton hatte den jungen Norman Powderham vor acht Jahren in seine Obhut genommen. Für ihn als vierten und jüngsten Sohn eines mittleren Adelsgeschlechts hatte es nicht viele Zukunftsperspektiven gegeben. Vor der Auflösung der Klöster wäre er wahrscheinlich in den Dienst der Kirche getreten. Dass dies durch die Gründung der englischen Staatskirche nicht mehr möglich war, empfand Norman als Glücksfall, denn er eignete sich für ein klösterliches Leben mit Verzicht und Zölibat ebenso wenig wie für ein Studium der Naturwissenschaften oder der Rechte. Norman Powderhams Welt war das höfische Leben, wobei er es liebte, bei Turnieren sein ausgezeichnetes Waffengeschick zu präsentieren. Lord Thomas hatte den jungen Mann zum Ritter ausbilden lassen und forderte jetzt als Dank, dass er dies für seinen einzigen Sohn tat. Norman war dem Wunsch gerne nachgekommen, doch jetzt fragte er sich, wie aus diesem mageren Jungen jemals ein guter Kämpfer werden sollte.
    Nachdem Anthony ruhelos eine Stunde lang in seinem Zimmer auf und ab gegangen war, hielt er das Warten nicht länger aus. Die verstörte Ellen hatte ihm befohlen, den Raum nicht zu verlassen, und war dann, leise Gebete vor sich hin murmelnd, verschwunden. Auf der einen Seite freute sich Anthony, das Schloss endlich zu verlassen, andererseits fürchtete er sich vor dem, was ihn am Hof erwartete. Auch wenn er sein ganzes Leben in Fenton Castle verbracht hatte, so war nun in seinem Herzen ein Funken der Abenteuerlust entzündet worden. Der Gedanke an seinen Vater, an dessen große, bullige Gestalt mit den kalten Augen jagte ihm Angst ein, aber er wünschte sich nichts sehnlicher, als sein Können zu Pferde und seine Geschicklichkeit mit dem Schwert unter Beweis zu stellen. Der Waffenmeister Lifton war längst kein ebenbürtiger Gegner mehr für Anthony. Ach, wie gerne würde er auch auf die Jagd reiten! Frei und unbeschwert seinem Ross die Sporen geben und über Stock und Stein durch den Wald galoppieren …
Entgegen Ellens Anweisung schlich Anthony von Ungeduld getrieben in die leere Halle hinunter. Beim Anblick der unberührten Speisen knurrte sein Magen, denn
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