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Königin der Piraten

Königin der Piraten

Titel: Königin der Piraten
Autoren: Danelle Harmon
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schluchzend beinahe zusammengebrochen wäre; er dachte an den tränenreichen endgültigen Abschied beim Abendessen und an die kleine Horatia, neben deren Bettchen er im Dunkeln niedergekniet war, um für sie zu beten. Viermal war er umgekehrt, um seine schlafende Tochter zu betrachten, bevor er schließlich das Haus verließ, die Stufen vor der Haustür hinunterschritt und in die wartende Kutsche stieg, deren Tür ihm ein junger Stallburs c he aufhielt. »Sei schön brav, bis ich zurückkomme«, hatte Nelson beim Einsteigen freundlich gesagt. Dann waren die Lichter von Merton in der Dunkelheit verschwunden ...
    Das Gebet ging ihm schon seit Tagen durch den Kopf. Als die Kutsche bei einem Gasthof Halt machte, schrieb er es in sein Tagebuch. Dann flogen erneut die Meilen unter ihm dahin. Nelson schaute aus dem Fenster und dachte an den Feind in Cädiz, an seinen Plan, wie er ihn schlagen wollte, an den Sarg und den Ruhm, die auf ihn warteten, und an die Worte einer Zigeunerin, der er vor langer Zeit einmal begegnet war ...
    Ich kann für Euch nicht weiter als bis ins Jahr 1805 sehen ...
    Nelson dachte an seine Vorahnungen, seine Ängste, die Vision von einem weißen Lichtball, die er vor vielen Jahren als verzweifelter Heranwachsender gehabt und die ihn sein Leben lang begleitet hatte - und an seinen Abschied von der Piratenkönigin, die ihn mit tränenüberströmten Wangen umarmt hatte, während Gray hilflos daneben stand ...
    Ihr könnt in die Zukunft schauen, Maeve - was seht Ihr dort für mich? Werde ich die Franzosen schlagen? Sagt es mir, werde ich es schaffen?
    Maeve hatte gezögert und den Blick abgewandt, da ihre Augen sich mit Tränen füllten ... Ihr, Mylord ... Euch wird Euer persönliches Schicksal ereilen ...
    Die Kutsche fuhr weiter durch die Nacht, durch die verschlafene Landschaft, vorbei an Wäldern, Feldern und dunklen Häusern auf die Küste von Hampshire zu, wo das Morgenlicht auf die Kreidefelsen fiel und der Geruch des Meeres die Luft erfüllte. Weiter ging es zur Halbinsel Portsea Island und schließlich nach Portsmouth, wo die edle Victory schon für den größten Admiral bereitstand, den ihr Land je gekannt hatte.
    Der Landeplatz war voller Menschen. Alle schubsten und drängelten ungeduldig, um einen Blick auf Lord Nelson zu erhaschen, der nach seinem Mittagessen im Gasthof The George England nun zum letzten Mal verließ. Er versuchte, sie zu meiden, doch es war zwecklos. Als er in seinem wiegenden Seemannsgang zum Meer hinunterging, stürzte die bewundernde Meute durch die engen Gassen von Portsmouth hinter ihm her. Er, dieser kleine Kerl, in dem sie ihren Retter sahen, das Symbol ihres Vaterlandes.
    Auf seinen Schultern ruhten all ihre Hoffnungen, von ihm hing Englands Schicksal ab - und nun, da er für sie in den Krieg zog, um sie vor dem gefürchteten Napoleon zu retten, waren sie entschlossen, ihm einen liebevollen, rührenden Abschied zu bereiten. Hände streckten sich ihm entgegen, um den verehrten Mann zu berühren; Menschen knieten vor ihm nieder und beteten für ihn, für seinen Sieg. Manche weinten laut klagend, andere ganz still, und alle folgten sie ihm, als er weiter zum Meer hinunterging.
    Er überquerte den Southsea Common genannten Platz, in seinem Kielwasser die schluchzende, kreischende Menge, die immer wieder seinen Namen rief: »Nelson! Nelson! Gott segne Euch, Lord Nelson!« Schon konnte er seine Barkasse sehen, die auf ihn wartete. Die Marinesoldaten mussten sich gewaltsam einen Weg durch die Menschenmenge bahnen, damit Nelson zu seinem Boot gelangte. Auf den Achtersitzen saß feierlich ein Offizier, und die Mannschaft der Barkasse hielt die Ruder bereit.
    Dahinter lag die Victory - und wartete.
    Unter dem Jubel tausender Menschen stieg Nelson die sechzehn Stufen des Landeplatzes hinunter. Die Barkasse schaukelte unter ihm, als er einstieg, Hardys Salut entgegennahm und sich neben ihn setzte. Das Geschrei schwoll zu donnernder Lautstärke an, und als die Ruderer von der Küste abstießen, schallten drei mächtige Hochrufe in den Himmel hinauf.
    »Gott schütze Lord Nelson! Gott schütze Lord Nelson! Gott schütze Lord Nelson!«
    Überwältigt und mit verschleiertem Blick nahm Nelson den Hut ab und winkte der Menge zu. »Vorher hatte ich ihren Jubel«, raunte er Hardy leise zu. »Jetzt habe ich ihre Herzen.«
    Mitten unter den tausenden Menschen stand die frisch gebackene Lady Falconer mit ihrem Admiral und der Familie, die Nelson ihr zurückgegeben hatte. Sie dachte an
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