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Königin der Piraten

Königin der Piraten

Titel: Königin der Piraten
Autoren: Danelle Harmon
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Mama. Wie könnt ihr mir je verzeihen? Wie nur ...?
     
    Ungehindert von Misstrauen und Angst strömten Maeve nun die Tränen über die Wangen und tropften auf ihr Handgelenk. Auf ihren Arm. Auf den Briefbogen.
    Sie bemerkte es nicht, hörte auch nicht mehr ihren rau-en Atem, ihr Schluchzen, das Gebell der Hunde draußen, die Schritte in einem Zimmer über ihrem Kopf. Und sie sah nicht, wie die Sonne in all ihrer Pracht und Herrlichkeit durch die Wolken brach und ein neuer Tag voller Hoffnung heraufzog.
     
    Mama, Papa, ich schäme mich so, weil ich gedacht habe, ihr hättet euch von mir abgewandt. Wie kann ich mich dafür entschuldigen? Ich weine, während ich diese Zeilen schreibe; ich weine über all die verlorenen Jahre, über Traurigkeit, Kummer und Schmerz, über die Missverständnisse und darüber, dass ich von zu Hause fortgelaufen und nie mehr zurückgekommen bin. Ich weine, weil ich euch lieb habe und weil das immer so war und immer so sein wird - egal, ob ihr es über euch bringt, mir zu verzeihen oder nicht. Ich weine, weil ich heute heirate und...
     
    Von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt hielt Maeve inne.
     
    ... und ihr werdet nicht dabei sein ...
     
    Hemmungslos schluchzend schob sie den Stuhl zurück und wollte gerade den Brief in der Faust zerknüllen, als sich eine warme Hand auf^lie ihre legte.
    Als sie aufschaute, strömten ihr die Tränen über die Wangen und auf seine Hand, auf ihre Hand. Auch der Brief war ganz verschmiert und fleckig davon. »Lass es so«, bestimmte Gray ruhig. »Ich kann nicht, Gray. Ich kann das so nicht abschicken; es ist fleckig, und sie werden es nicht einmal lesen können ...«
    »Lass es so«, wiederholte Gray leise. Maeve sprang auf, obwohl er ihre Hand immer noch
    auf der Tischplatte festhielt. »Ich bin ein Feigling, wahrhaftig. Ich hätte nicht einmal gedacht, dass ich den Mut zum Schreiben aufbringen würde ...«
    »Hast du aber. Du hast den Brief geschrieben.« Gray kam um den Schreibtisch herum zu ihr, wobei er sich Mühe gab, Maeves Zeilen nicht zu lesen. Er drückte sie auf den Stuhl zurück und kniete sich neben sie, um auf einer Höhe mit ihr zu sein und ihr fest in die Augen zu schauen. »Maeve«, sagte er sanft.
    Kläglich sah sie zu ihm auf.
    »Lass es so«, erklärte Gray noch einmal. »Auch die Tränenflecken. Nichts anderes könnte deiner Familie so sehr deine Liebe beweisen.«
    Natürlich hatte er Recht. Ihr Admiral hatte immer Recht. Bitterlich weinend stürzte Maeve sich in seine Arme und spürte, wie er ihr beruhigend übers Haar strich. Lange hielt er sie fest, bevor er sie sanft wieder auf den Stuhl schob, sie liebevoll ansah und ihr mit den Daumen die Tränen von den Wangen strich.
    Dann stand er auf, groß, dunkel und umwerfend gut aussehend, und lächelte Maeve aufmunternd an. »Schreib deinen Brief zu Ende«, sagte er nur, drehte sich auf dem Absatz um und ging hinaus.
     
    »Sie kommen nicht. Lieber Gott, was habe ich getan? Ich weiß, dass sie geschrieben und sich angekündigt haben, aber sie kommen nicht. Das weiß ich ganz genau. Es ist schon so spät, und sie sind noch nicht da!«
    »Nelson«, sagte Emma beruhigend, »es ist erst sechs Uhr morgens. Nicht alle Leute stehen so früh auf wie du!«
    »Nein, sie kommen nicht. Und dabei habe ich Falconer schon gesagt, sie würden da sein. Du liebe Güte, was, wenn er es ihr erzählt hat? O Emma, ich hätte es ihm niemals sagen dürfen, ja, ich hätte gar nicht erst diesen Brief schreiben und mich überhaupt nicht einmischen sollen. Wenn ich auch an nichts sonst zugrunde gehe - das wird mich ins Grab bringen, ganz bestimmt!«
    Nelson war so außer sich, dass er sich an diesem Morgen nicht rasiert, ja nicht einmal das Gesicht gewaschen hatte - sein liebes, trauriges, kummervolles kleines Gesicht, das Emma so liebte. Aber wie hätte er das auch tun sollen, mit nur einem Arm?
    Emma nahm seine Hand, setzte ihn auf einen Stuhl, füllte eine Waschschüssel und erwies ihm liebevoll diesen vertraulichen Dienst. Dabei versuchte sie, fröhlich und tapfer zu sein, auch wenn sie wusste, dass er sie bald wieder verlassen würde, um die britische Flotte gegen Napoleons mächtige Seestreitkräfte in die Schlacht zu führen.
    »Es ist noch früh«, wiederholte sie und tauchte den Waschlappen in die Schüssel. Sie küsste Nelsons narbige Stirn und strich über sein Lid, unter dem das Auge immer noch kühn und durchdringend blickte, auch wenn er fast nichts mehr sehen konnte. Zärtlich wusch sie ihm das
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