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Königin der Piraten

Königin der Piraten

Titel: Königin der Piraten
Autoren: Danelle Harmon
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während Europa abwartend zuschaute ...
    Vor dem Hafen von Cädiz beklagte sich die gelangweilte, frustrierte Blockadeflotte unter dem britischen Admiral Cuthbert Collingwood bitterlich über die puritanische Strenge ihres sturen alten »Cuddie«: »Erbarmen, o ihr Mächtigen! Schickt uns Lord Nelson!«, schrieb ein verzweifelter Kapitän in einem Brief an seine Frau zu Hause.
    In England fieberte Nelson derweil seinem nächsten Einsatz auf der Victory entgegen. Unterdessen bezahlte er von seinen dahinschwindenden Rücklagen Rechnungen, brachte seine Angelegenheiten in Ordnung und spielte viel mit seiner kleinen Tochter. Auf einer seiner Fahrten nach London stattete er einem alten Freund einen düsteren Besuch ab. Dieser Freund war aus Holz geschnitzt und wartete nun geduldig auf die Zeit, in der sie beide für immer vereint sein würden. Nachdem er Nelson auf vielen Seemeilen begleitet hatte, befand er sich nun in der Obhut eines gewissen Mr Paddieson.
    »Lasst die passenden Gravuren darauf anbringen«, sagte Nelson scherzhaft zu Paddieson. »Wahrscheinlich brauche ich ihn nämlich bei meiner Rückkehr.«
    Der alte Freund war sein Sarg.
     
    Im Hause der Falconers war alles in heller Aufregung, da der einzige Sohn der Familie ungeduldig darauf wartete, seine Piratenkönigin zu heiraten. Die Tage seines Urlaubs waren gezählt, doch die Hochzeit sollte noch vor seiner Rückkehr zu seinem Kommando in Westindien stattfinden, und zwar auf Nelsons Wohnsitz Merton.
    Grays Vorfreude wurde durch eine eilige Mitteilung, die ihm Lord Nelson sandte, noch gesteigert - Maeve verschwieg er jedoch deren überraschenden Inhalt. Schließlich war ihm klar, dass seine Liebste ihre Dämonen allein besiegen musste. Und als ihr Hochzeitstag anbrach, gelang ihr das auch.
    An jenem Morgen stand sie auf und zog sich an, lange bevor das übrige Haus erwachte und Grays sechs kleine Schwestern sie bestürmen konnten, ihnen Geschichten vom Piratenleben auf hoher See zu erzählen. Auf Zehenspitzen schlich sie aus ihrem Zimmer und durch das große Treppenhaus nach unten ... über dicke Teppiche und Marmorböden ... vorbei an den Statuen und Porträts der Ahnen an der Wand. So gelangte sie zur halb offen stehenden Tür des Arbeitszimmers.
    Es war, als würde das Zimmer sie rufen. Jetzt oder nie. Sie konnte nicht länger mit diesem Schmerz leben.
    Auf ihrem Weg zu dem Raum und zu all ihren Ängsten, denen sie dort begegnen würde, blieb sie nur einmal stehen - und zwar, wie immer, unter dem prachtvollen Porträt, das die Wand unmittelbar vor der Tür beherrschte. Es reichte von der Höhe ihrer Taille bis an die hohe Decke und zeigte einen Piraten, der sich vor einem dunklen, aufgewühlten Meer auf ein Entermesser stützte. Hinter ihm ballten sich drohende Gewitterwolken zu einem finsteren Glorienschein zusammen. Sein prächtiges schwarzes Haar war zerzaust, seine Augen blickten kühn und verwegen, und seine Haltung war gottgleich und gebieterisch. Er trug ein weißes, fließendes Seidenhemd und kniehohe Schaftstiefel. Hinter ihm lag eine Flotte - seine Flotte. Auf dem fein gearbeiteten Namensschild am Goldrahmen des Gemäldes stand Konteradmiral Sir Graham Falconer, Ritter des Bath-Ordens.
    Maeve legte den Kopf in den Nacken, trat einen Schritt vor und küsste den einzigen Teil des wundervollen Porträts, an den sie heranreichte: seine Stiefel.
    Es war typisch, dass ihr Märchenprinz sich als Pirat hatte malen lassen, während kein anderer tüchtiger Admiral es wagen würde, sich in etwas anderem als in seiner Uniform darstellen zu lassen.
    Ein letztes Mal berührte Maeve das Porträt, als könnte dadurch etwas vom Mut des Abgebildeten auf sie übergehen. Er selbst war am Vorabend zu einer Unterredung mit der Admiralität nach London gefahren und von dort aus zu Nelson nach Merton. Noch hatte sie keine Hufschläge gehört, die von seiner Rückkehr kündeten ...
    »Gray«, flüsterte sie und schaute in die dunklen, gebieterischen Augen. »Wenn du doch jetzt hier wärst. Ich brauche dich. Ich habe An g st. Aber ich muss das Unabdingbare tun - und zwar allein.«
    Zitternd stand sie da und lauschte auf die Geräusche des Hauses, die in der Stille noch lauter wirkten: das Ticken einer Uhr irgendwo in der Diele und das Knarren von altem Gebälk. Irgendwo draußen krähte ein Hahn. Schwache orangefarbene Sonnenstrahlen fielen durch die hohen Fenster herein genau auf die Tür zum Arbeitszimmer, als wollten sie Maeve sagen, was sie zu tun hatte.
    Was machte
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