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Koenig Nicolo Oder So Ist Das Leben

Titel: Koenig Nicolo Oder So Ist Das Leben
Autoren: Frank Wedekind
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steckt nach einer Weile den Kopf zur Tür herein.
     
    ALMA. Seid Ihr allein, Vater?
    DER KÖNIG
freudig aufspringend.
Mein Kleinod!
    ALMA
tritt ein. Sie trägt einen schmucken schwarzen Knabenanzug.
Hört uns auch niemand?
    DER KÖNIG. Der Meister sitzt oben beim Frühtrunk und die Gesellen schlafen noch. – Die Augenblicke, mein Kind, die ich mit dir zusammen bin, entschädigen meine Seele für Tage des dumpfen Hindämmerns. Wüßtest du, welch endlose Gespräche ich mit dir führe, wie lieb und verständig du mir auf alles antwortest! Verlaß mich nicht! Es ist ein neues Verbrechen, das ich mit dieser Bitte an dir begehe, aber ich bin eben ein schwacher Mensch!
    ALMA
sehr vergnügt, beinah übermütig.
Jetzt, mein Vater, wird es bald anders mit uns werden. Der alte Gerichtsschreiber, bei dem ich vor zwei Monden als Laufbursche eintrat, läßt mich schon all seine Akten kopieren. Nächste Woche will er mich mit in den Gerichtssaal nehmen, damit ich statt seiner das Protokoll führe. – O mein Vater, wenn es mir noch einmal gelänge, daß das Todesurteil, das Euch jetzt, da wir wieder hier in Perugia sind, furchtbarer denn je bedroht, von Eurem Haupte genommen würde! – Ob man Euch wieder auf den Thron erhebt, kann ich bei meiner weiblichen Unkenntnis der Politik nicht ermessen. Aber höher als einen Fürsten würde man Euch verehren! Müßt Ihr nicht auch etwas Göttliches haben, daß Ihr trotz Eurer Bedrängnis einen Menschen so mit Seligkeit erfüllen könnt, wie ich das empfinde! Welch einen Reichtum an Glück müßt Ihr erst auszuteilen haben, wenn Euch die Fesseln abgenommen sind. Dann reißen sich Tausende um Euch und Ihr habt keinen König mehr um die Last seiner Krone zu beneiden!
    DER KÖNIG. Rede nicht – weiter von mir. Ich muß in Verborgenheit abwarten, bis meine Stunde gekommen ist. – Aber du, mein Kind, fühlst du dich denn nicht todunglücklich unter der Last deiner Arbeit? – Wird dein Herr nicht grob und verächtlich, wenn er gerade einen Menschen braucht, um seine schlimme Laune auszulassen?
    ALMA
lustig.
Aber fühlt Ihr denn gar nicht, mein Vater, wie lebensfroh mir zumut ist?! Die Menschen, denen ich diene, wissen Erziehung und Bildung zu schätzen.
Mit Empörung.
Ihr hingegen atmet hier unter einer Menschenbrut, die Eure Seele, ohne es zu wissen und zu wollen, durch all ihre Lebensgewohnheiten peinigen muß. Ich sehe Euch über jede Erwiderung in die Zähne knirschen; ich sehe, wie Euch bei den Mahlzeiten der Ekel den Hals zuschnürt.
Sich besinnend.
O verzeiht meine Worte! Sie achten Eurer schmerzhaftesten Wunden nicht!
    DER KÖNIG
sichtlich erheitert mit wachsender Munterkeit.
Nun denke dir, mein liebes Kind, infolge dieser außergewöhnlichen Ursachen werde ich von Meister Pandolfo als sein fleißigster Arbeiter geschätzt! In Baschi, wo ich das Vieh hütete, hatte ich mein Nachtlager unter einem entlegenen Vordach hinter den Ställen. Da hing ich denn jeden Morgen, auf dem Rücken liegend, meinen Träumen nach, bis die Sonne über mir im Zenit stand. Deshalb gab mir der Bauer den Laufpaß. Hier entgegen schlafe ich mit drei gemeinen Gesellen zusammen und bin deshalb der erste, der sich erhebt, und der letzte, der sich zur Ruhe legt. Für mich schläft es sich nun einmal in Gesellschaft von Menschen nicht so gut, wie unter Tieren. Nie hätte ich mir träumen lassen, daß ein so fleißiger Arbeiter in mir steckt! Die Arbeit dient mir geradezu als eine Art von Zuflucht!
Begeistert.
Und dann die herrlichen Farben der schweren Samte, der Glanz der Goldbrokate, alles das erfrischt mir die Seele derart, daß ich danach lechze, wie nach einem stärkenden Trank. –
Stolz und selbstbewußt.
Und dann hat Meister Pandolfos findiger Geist nämlich gleich in den ersten Tagen eine Begabung in mir entdeckt, von der ich selber aufs höchste überrascht war und von deren Betätigung ich mich, offen gesagt, leichten Herzens nicht wieder trennen würde. Er fand, daß ich mich besser als jeder seiner Gesellen und als er selbst dazu eigne, nach freiem Auge die Stoffe für die Damenkleider so zuzuschneiden, wie sie die Gestalt am schönsten zur Geltung bringen. So zum Beispiel hätte ich dieses Wams, das du da trägst, jedenfalls in einer ganz anderen Weise geschnitten, als wie es der
Sehr verächtlich.
elende Stümper getan hat, dessen Schere eines so herrlichen Tuches gar nicht würdig war!
    ALMA. O schweigt, mein Vater! Wie könnt Ihr so erbarmungslosen Spott mit Eurem. unseligen Geschick
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