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Koenig Nicolo Oder So Ist Das Leben

Titel: Koenig Nicolo Oder So Ist Das Leben
Autoren: Frank Wedekind
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Führung und Beaufsichtigung seines Herrn anzuvertrauen bitte.
    DER OBERRICHTER. Euer Wunsch ist erfüllt, Meister Matteo. Die Zeugen
Die Zeugen erheben sich von den Stufen.
die zu der heutigen Sitzung geladen wurden, haben sich sämtlich in Person eingefunden. – Man führe den Angeklagten vor.
     
    Der König wird von Hellebardieren links hereingeführt. Prinzessin Alma schrickt bei seinem Anblick etwas zusammen, tut sich aber Gewalt an und richtet ihr Schreibzeug her.
     
    DER OBERRICHTER. Du nennst dich Ludovicus und hast vordem in Baschi dem Hüten von Vieh obgelegen. Angeklagt bist du des Crimen laesae majestatis, wie es schon durch die unvergängliche Gesetzgebung unserer großen Vorfahren, der alten Römer, mit schweren Strafen bedroht worden ist! des Verbrechens der verletzten Majestät oder wie es mit andern Worten heißt, der Beleidigung der geheiligten Person des Königs. Bekennst du dich dieses Verbrechens für schuldig?
    DER KÖNIG. Ja.
    DER GERICHTSAKTUAR
zu Alma.
»Ja« hat er gesagt. Aufschreiben, mein Junge! Genau aufschreiben!
    DER OBERRICHTER. Nach den übereinstimmenden Aussagen von vier einwandfreien Zeugen
Die Zeugen erheben sich.
waren deine Worte: »Dreimal Fluch auf den König! Es falle des Königs Haupt unter dem Henkerbeil!«
    DER KÖNIG. Das waren meine Worte.
    DER GERICHTSAKTUAR
zu Alma.
»Das waren meine Worte!« Josef Maria, eine Tintensau! Junge, ist denn heute der Leibhaftige in dich gefahren?!
    DER OBERRICHTER. Was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen?
    DER KÖNIG. Nichts.
    MICHELE
zu den andern Zeugen.
Nichts hat er vorzubringen! Habt ihr's gehört? Er hat nichts vorzubringen!
    MEISTER PANDOLFO. Aus elendiger Rachsucht gegen mich spie er seine gräßlichen Flüche aus! Mich, mein Geschäft und meine ganze Familie wollte er ins Verderben stürzen!
    DER OBERRICHTER. Ruhe auf der Zeugenbank! – Nun, was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen?
    DER KÖNIG. Nichts. – Nach der Majestät Gottes steht wohl die Majestät des Königs am höchsten in dieser Welt. So wenig wie Gottes Majestät je unter den Flüchen der niedrigen Menschheit gelitten, so wenig leidet wohl auch die Majestät des Königs darunter. Könnte die Majestät Gottes dadurch verringert werden, daß die niedrige Menschheit erklärt: Wir glauben nicht mehr an dich? Könnte die königliche Majestät dadurch verringert werden, daß die niedrige Menschheit sagt: Wir gehorchen dir nicht mehr?
Lachend.
Wer wollte das auch nur für möglich halten! Gott ist in Niedrigkeit auf Erden gewandelt, und die niedrige Menschheit glaubte ihn zum Tode zu führen. Und so mag die niedrige Menschheit glauben, den König zu verjagen; er bleibt, wo er war. Ob sie ihm zurufen, es falle dein Haupt unter dem Henkerbeil, es tut ihm keinen Eintrag. Deshalb, mag auch nächst der Lästerung Gottes die Lästerung des Königs das fluchwürdigste Verbrechen sein – ein Verbrechen, dessen ich mich, wie ich offen bekannte, mit meinen Worten schuldig gemacht – mir scheint es für den König zu gleichgültig und zu geringfügig, als daß er es je zu rächen brauchte; mir scheint es zugleich zu furchtbar, als daß die niedrige Menschheit sich vermessen dürfte, es je zu sühnen. Hat doch die niedrige Mensch heit keine höhere Gewalt als über Leben und Tod, und kann sie doch nicht wissen, ob der Elende nicht den Tod, und sei er noch so qualvoll, als die Erlösung von tausend Qualen willkommen hieße! – Diese Gründe habe ich dafür zu nennen, daß für mein Verschulden von den Richtern, vor denen ich stehe, keinerlei Strafe über mich verhängt werden kann.
Allgemeines Räuspern und Husten der Empörung.
Jetzt laßt mich, webe und geehrte Richter, die Gründe nennen, die es euch zur heiligen Pflicht machen, mich unter Anwendung der äußersten Strenge menschlicher Gerechtigkeit zu verurteilen.
    NOÈ
zu den andern Zeugen.
Ich habe es euch doch gleich gesagt: der Kerl ist vollkommen verrückt!
    DER OBERRICHTER. Ruhe auf der Zeugenbank! –
Zum König.
Sprich weiter!
    DER KÖNIG. Der Majestät des Königs konnten meine Worte, wie ich es der menschlichen Vernunft gemäß erwiesen, keinerlei Eintrag tun. Aber leider ist das Vertrauen in die Majestät des Königs nächst dem Vertrauen in die Allgüte einer Vorsehung das höchste und heiligste Besitztum der – niedrigen Menschheit. Was die Erdensöhne seit undenklichen Zeiten an ewigen Wahrheiten, gegen die sich keiner, sei er Gebieter oder Sklave, ungestraft versündigt, erfahren haben, das
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